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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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unter der Voraussetzung, dass sie zum ersten Gespräch ohne Kamerateam erschien.
    »Wir werden aber Bilder brauchen«, hatte Keowa gesagt. »Wir sind ein Fernsehsender.«
    »Sie werden auch welche bekommen. Sofern ich den Eindruck gewinne, dass Sie es ehrlich meinen. Auch ich kann nur ein gewisses Maß an Prügel verkraften, Loreena. Wir beschnuppern uns eine Stunde, und dann holen Sie Ihre Leute dazu. Oder auch nicht.«
    Jetzt, im Taxi, das sie vom Flughafen ins Stadtzentrum von Dallas brachte, ging Keowa ein letztes Mal ihre Unterlagen durch. Kameramann und Tontechniker dösten auf dem Rücksitz vor sich hin, erschlagen von der humiden Hitze, die Texas in diesem Jahr viel zu früh befallen hatte. EMCO hatte seinen Hauptsitz im benachbarten Irving, doch Palstein wohnte auf der anderen Seite der Stadt. Im Sheraton Dallas nahmen sie ein leichtes Mittagessen zu sich, dann erschien wie angekündigt Palsteins Fahrer, um Keowa abzuholen. Sie verließen die Stadt und durchquerten naturbelassene Peripherie, bis zur Linken die glitzernde Fläche des Sees zwischen den Bäumen sichtbar wurde. Nach dem wackeligen Flug ins Schwitzbad hiesiger Temperaturen getaucht, genoss sie die Fahrt in dem klimatisierten Elektro-Van. Nach einer Weile bog der Fahrer auf eine kleinere Straße und von dort auf einen Privatweg ab, der direkt ans Wasser und zu Palsteins Haus führte, und sie dachte, dass es in etwa dem entsprach, was sie sich vorgestellt hatte. Palstein auf einer Ranch mit Büffelhörnern und Säulenveranda, ein Ding der Unmöglichkeit! Die luftige, von Grünflächen durchbrochene Anordnung kubischer Elemente mit ihren Glasflächen, dem filigranen Stützwerk und den beinahe schwerelos erscheinenden Wänden passte weit besser zu ihm.
    Der Fahrer ließ sie aussteigen. Ein kräftig gebauter Mann in Anzughose und T-Shirt kam ihr entgegen und bat sie höflich um ihren Ausweis. In Ufernähe patrouillierten zwei weitere Männer. Wie es aussah, vertraute sich Palstein Bodyguards an. Sie reichte dem Mann ihre ID-Karte, und er hielt sie gegen den Scanner seines Handys. Was der Bildschirm ihm zeigte, schien ihn zufriedenzustellen, denn er gab ihr das Dokument mit einem Lächeln zurück und bedeutete ihr, ihm zu folgen. Zügig durchquerten sie einen japanischen Garten und gelangten vorbei an einem großen Swimmingpool zu einem Bootssteg.
    »Haben Sie Lust auf eine Tour?«
    Palstein, an einen Poller gelehnt, erwartete sie vor einer schlanken, schneeweißen Yacht mit hohem Mast und eingerollten Segeln. Er trug Jeans und Poloshirt und sah gesünder aus als bei ihrem letzten Zusammentreffen in Anchorage. Die Schlinge um seinen Arm war verschwunden. Keowa deutete auf seine Schulter.
    »Geht's wieder?«
    »Danke.« Er nahm ihre Hand und schüttelte sie kurz. »Zieht nur noch ein bisschen. Hatten Sie eine gute Anreise, Shax' saani Keek'?«
    Keowa lachte irritiert. »Sie kennen meinen indianischen Namen?«
    »Warum nicht?«
    »Kaum jemand kennt den!«
    »Die Höflichkeit gebietet, sich zu informieren. Shax' saani Keek', in der Tlingit-Sprache die jüngere Schwester der Mädchen, richtig?«
    »Ich bin beeindruckt.«
    »Und ich wahrscheinlich ein alter Angeber.« Palstein lächelte. »Also, wie wär's? Ich kann Ihnen keine Segeltour bieten, das funktioniert noch nicht mit der Schulter, aber der Außenborder funktioniert, und an Bord sind kalte Getränke.«
    Unter anderen Umständen hätte Keowa Verdacht geschöpft. Doch was bei jedem anderen manipulativ gewirkt hätte, blieb bei Palstein, was es war: die Einladung eines Mannes, der gerne Boot fuhr, ihn zu begleiten.
    »Schönes Haus«, sagte Keowa, nachdem sie ein Stück hinausgefahren waren. Die Hitze stand blockartig auf dem Wasser, kein Lufthauch kräuselte die Oberfläche des Sees, doch immerhin war es erträglicher als an Land. Palstein warf einen Blick zurück und schwieg eine Minute, als betrachte er sein Anwesen zum ersten Mal unter dem Gesichtspunkt, es könne schön sein.
    »Der Entwurf basiert auf Mies van der Rohe. Kennen Sie ihn?«
    Keowa schüttelte den Kopf.
    »In meinen Augen der bedeutendste Architekt der Moderne. Ein Deutscher, großer Konstruktivist und Logiker. Sein Ziel war es, den chaotisch überbordenden Output der technischen Zivilisation in geordnete Strukturen zu überführen, wobei sein Ordnungsverständnis nicht auf Eingrenzung, sondern die Schaffung größtmöglicher Freiräume abzielte, auf einen scheinbar übergangslosen Fluss zwischen innerer und äußerer

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