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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Welt.«
    »Auch zwischen Vergangenheit und Zukunft?«
    »Absolut! Seine Arbeit ist zeitlos, weil sie jeder Zeit gerecht wird. Van der Rohe wird nie aufhören, Architekten zu beeinflussen.«
    »Sie mögen klare Strukturen.«
    »Ich mag Menschen mit Überblick. Übrigens bin ich sicher, dass Sie seinen berühmtesten Ausspruch kennen: Weniger ist mehr.«
    »Oh ja.« Keowa nickte. »Klar.«
    »Wissen Sie, was ich denke? Wenn unser Verständnis der Welt so beschaffen wäre wie van der Rohes Werk, wir würden höhere Zusammenhänge wahrnehmen und zu anderen Schlüssen gelangen. Klarheit durch Reduktion. Erkenntnis durch Wegstreichen. Eine Mathematik des Denkens.« Er hielt inne. »Aber Sie sind nicht hier, um mit mir die Schönheit der Zahlen zu erörtern. Was möchten Sie wissen?«
    »Wer hat auf Sie geschossen?«
    Palstein nickte, beinahe ein bisschen enttäuscht, als habe er Originelleres erwartet.
    »Die Polizei sucht einen Einzeltäter, der frustriert und zornig ist.«
    »Sie teilen diese Einschätzung immer noch?«
    »Ich habe gesagt, dass ich sie teile.«
    »Würden Sie mir dann verraten, was Sie denken?«
    Er stützte das Kinn in die Hände. »Sagen wir mal so: Wenn Sie eine Gleichung lösen wollen, bedürfen Sie der Kenntnis ihrer Variablen. Allerdings werden Sie scheitern, wenn Sie sich in eine der Variablen verlieben und ihr eine Bedeutung beimessen, die sie vielleicht nicht hat, und genau das tut meines Erachtens die Polizei. Dumm ist nur, dass ich keine bessere Antwort anzubieten habe. – Was glauben Sie denn?«
    »Na ja. Da geht eine Industrie den Bach runter, Sie reisen als Totengräber durch die Gegend, erzählen den Leuten, dass sie ihren Job verlieren werden, schließen Anlagen, lassen Firmen vor die Wand fahren, auch wenn Sie in Wahrheit natürlich nicht der Totengräber, sondern der Notarzt sind.«
    »Alles eine Frage der Wahrnehmung.«
    »Eben. Warum also kein verzweifelter Familienvater? Es wundert mich bloß, dass so einer in vier Wochen nicht auffindbar sein soll. Der Anschlag wurde von mehreren Fernsehsendern gefilmt, man hätte jemanden sehen müssen. Jemanden, der sich verdächtig macht, eine Waffe zieht, wegrennt, irgendetwas.«
    »Wussten Sie, dass es gegenüber der Tribüne, auf der anderen Seite des Platzes, einen Gebäudekomplex gibt –«
    »– von dem die Polizei glaubt, dass daraus geschossen wurde. Auch, dass sich niemand erinnert, jemanden gesehen zu haben, der reinging oder nach dem Attentat wieder rauskam. Es waren Polizisten in der Nähe, überall waren welche. Finden Sie das nicht komisch? Sieht das Ganze nicht nach einer professionell durchgeführten, langfristig geplanten Aktion aus?«
    »Lee Harvey Oswald hat auch aus einem Haus heraus gefeuert.«
    »Moment! Von seiner Arbeitsstelle aus.«
    »Aber nicht im Affekt. Er muss seine Aktion vorbereitet haben, trotzdem spricht wenig dafür, dass er ein professioneller Killer war, selbst wenn Millionen Verschwörungstheoretiker das gerne so hätten.«
    »Einverstanden. Trotzdem stellt sich für mich die Frage, wer da eigentlich getroffen werden sollte.«
    »Sie meinen, ob mir der Schuss als Privatperson, als Repräsentant EMCOs oder als Symbolfigur des Systems gegolten hat.«
    »Sie sind nicht das Symbol des Systems, Gerald. Militante Umweltschützer würden sich jemand anderen suchen als den Einzigen, mit dem sie unter Umständen rechnen können. Vielleicht ist es ja genau umgekehrt, und Sie sind militanten Vertretern des Systems ein Dorn im Auge.«
    »Sie hätten Gelegenheit gehabt, mir den Docht auszupusten, solange es bei EMCO noch was zu entscheiden gab«, winkte Palstein ab. »Ich lasse, wie Sie so schön sagten, Imperial Oil vor die Wand fahren und beende unser Engagement in Ölsanden. Hätte ich das vor Helium-3 getan, wäre es vielleicht sinnvoll gewesen, mich aus dem Weg zu räumen, um weiterhin im Ölschlamm buddeln zu können, aber heute? Jede unpopuläre Entscheidung, die ich fälle, fällen die Umstände für mich.«
    »Gut, schauen wir uns den Privatmann Palstein an. Was ist mit Rache?«
    »An mir persönlich?«
    »Sind Sie jemandem auf die Füße getreten?«
    »Nicht, dass ich wüsste.«
    »Gar nichts? Niemandem die Frau ausgespannt? Den Job weggeschnappt?«
    »Glauben Sie mir, meinen Job will heute keiner mehr haben, und Zeit, jemandem die Frau auszuspannen, bleibt mir nicht. Aber selbst wenn jemand persönliche Motive hätte, warum sucht er sich dann so ein schwieriges, öffentliches Terrain? Er hätte mich hier am

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