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Limit

Limit

Titel: Limit
Autoren: Frank Schätzing
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hatte er sich auf Animal Ma Liping eingeschossen. Hier indes liefen seine und die Einschätzungen der Behörden auseinander. Während Jericho eine Gewitterwolke der Indizien über Shenzhen stehen sah, versammelte nach Meinung der Polizei ein Mann aus der Smoghölle Lanzhous die meisten Verdachtsmomente auf sich, mit dem Ergebnis, dass dort in diesen Stunden eine Razzia eingeleitet wurde. Für Jericho stand außer Zweifel, dass die Polizisten manches von Interesse finden würden, nur eben nicht, wonach sie suchten. Im Paradies herrschte das Tier, die Schlange, Animal Ma, dessen war er sicher, doch man hatte ihn angewiesen, vorerst keine weiteren Schritte zu unternehmen.
    Eine Direktive, die er gründlich zu missachten gedachte.
    Denn abgesehen davon, dass die Sache Mas Handschrift trug, gab Jericho der Tatbestand seiner Ehe zu denken. Nichts gegen Läuterung und Wandel, doch Ma war erwiesenermaßen homosexuell, ein schwuler Pädophiler. Ebenso fiel auf, dass die Männer, die den Laden aufsuchten, erst nach Stunden wieder zum Vorschein kamen. Drittens schien es nicht im Entferntesten so etwas wie feste Öffnungszeiten zu geben, und letztlich hätte man sich keinen besseren Platz zur Ausübung dunkler Geschäfte wünschen können als die aufgelassene Fahrradfabrik. Alle übrigen Bewohner benutzten Seitengebäude mit direktem Straßenzugang, sodass Ma als Einziger im Innenhof residierte und ihn, die wenigen hereinkleckernden Kunden außer Acht gelassen, als Einziger betrat.
    Noch von Shanghai aus hatte Jericho den Ermittler beauftragt, dem Laden eine Visite abzustatten, sich umzusehen und eine Kleinigkeit zu kaufen, möglichst etwas, wovon Ma noch mehr auf Lager hatte. So kannte er den Verkaufsraum schon, als er Ma an diesem Morgen über den Platz folgte. Im Schatten der Fabrikmauer wartete er einige Minuten, schritt unter dem Tor hindurch, überquerte die staubige Fläche des Hofs, erstieg eine kurze Rampe und betrat das rappelvolle, mit Regalen und Tischen zugestellte Geschäft. Hinter der Theke hantierte sein Besitzer mit Schmuck. Ein Perlenvorhang trennte den Verkaufsbereich von einem angrenzenden Zimmer ab, über dem Durchgang prangte eine Videokamera.
    »Guten Morgen.«
    Ma schaute auf. Die vergrößerten Augen hinter der horngefassten Brille musterten den Besucher mit einer Mischung aus Argwohn und Interesse. Niemand, den er kannte.
    »Ich hörte, Sie hätten was für jede Gelegenheit«, erklärte Jericho.
    Ma zögerte. Er legte den Schmuck, angelaufenes, billiges Zeug, zur Seite und lächelte zurückhaltend.
    »Wer, wenn ich mir die Frage erlauben darf, sagt das?«
    »Ein Bekannter. Muss gestern hier gewesen sein. Er brauchte ein Geburtstagsgeschenk.«
    »Gestern –«, sinnierte Ma.
    »Er hat ein Schminkset gekauft. Art Deco. Grün, gold und schwarz. Einen Spiegel, eine Puderdose.«
    »Oh ja!« Das Misstrauen wich und schuf Raum für Beflissenheit. »Eine schöne Arbeit, ich erinnere mich. War die Dame zufrieden?«
    »Die beschenkte Dame war meine Frau«, sagte Jericho. »Und, ja, sie war sehr zufrieden.«
    »Wie wunderbar. Was kann ich für Sie tun?«
    »Erinnern Sie sich an das Design?«
    »Natürlich.«
    »Sie hätte gerne mehr aus der Serie. Falls es mehr gibt.«
    Ma verbreiterte sein Lächeln, erfreut, dienlich sein zu können, da es, wie Jericho von dem Ermittler wusste, noch eine passende Bürste und einen Kamm zu erstehen gab. In seinem eigenartig eiernden Gang kam er hinter der Theke hervor, schob eine kleine Trittleiter zu einer der Regalwände und erstieg sie. Kamm und Bürste teilten sich ein Fach ziemlich weit oben, sodass er einige Sekunden beschäftigt war, während derer Jericho seine Umgebung scannte. Der Verkaufsraum war wohl nichts anderes als das, wonach er aussah. Die Theke wandte ihm eine kitschig nachempfundene Jugendstilfront zu, dahinter baumelten elfenbeinfarbene Perlenschnüre, jenseits derer, kaum einsehbar, der zweite Raum lag, vielleicht ein Büro. Inmitten des Plunders zierte ein überraschend teuer aussehender Computer die Theke, den Bildschirm zur Wand gedreht.
    Ma Liping reckte sich zu den Exponaten und sammelte sie umständlich ein. Jericho vermied es, hinter die Theke zu treten. Zu groß war die Gefahr, dass der Mann sich ausgerechnet in diesem Moment zu ihm umdrehte. Stattdessen ging er ein Stück am Tresen entlang, bis das Display als Spiegelung in einer Glasvitrine erschien. Die leuchtende Fläche war gedrittelt, ein Teil mit Schriftzeichen überzogen, die andere Hälfte in
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