Limit
eines Literaturphänomens ohne Beispiel markierte, einer galaktischen Seifenoper, die in Amerika nie gedruckt worden war und dennoch für sich beanspruchen konnte, die erfolgreichste Science-Fiction-Serie aller Zeiten zu sein. Ihr Held war ein Raumfahrer namens Perry Rhodan, den O'Keefe frohgemut spielte, wie immer, ohne sich um den Erfolg zu scheren. Er legte die Rolle so an, dass aus dem perfekten Perry ein tollkühner Trottel wurde, der in der Wüste Gobi eher aus Versehen Terrania baute, die Hauptstadt der Menschheit, um von dort in die Weiten der Milchstraße vorzustolpern.
Der Kinostart schlug alles je Dagewesene. Seitdem hatte O'Keefe in zwei weiteren Filmen den Weltraumhelden gegeben. Er hatte ein Training im Orley Space Center absolviert und an Bord einer für Parabelflüge umgebauten Boeing 727 mit seiner Übelkeit gekämpft. Bei der Gelegenheit hatte er Julian Orley kennen- und schätzen gelernt, mit dem ihn seither eine lockere Freundschaft verband, gegründet auf ihre gemeinsame Liebe zum Kino.
Vielleicht halte ich dir aber auch das Händchen –
Warum nicht, dachte O'Keefe, enthielt sich jedoch einer entsprechenden Replik, um Walo nicht zu brüskieren, auch, weil er Heidrun dringend verdächtigte, den jovialen Schweizer zu lieben. Man musste die beiden nicht näher kennen, um es zu spüren. Es äußerte sich weniger in dem, was sie zueinander sagten, als in der Art, wie sie einander ansahen und berührten. Besser, sich auf keinen Flirt einzulassen.
Vorerst.
Im Weltraum mochte alles ganz anders aussehen.
20. MAI 2025
[DAS PARADIES]
SHENZHEN, PROVINZ GUANGDONG,
SÜDCHINA
Owen Jericho wusste, dass er gute Chancen hatte, heute noch ins Paradies zu kommen, und er verabscheute den Gedanken.
Andere liebten ihn. Um dorthin zu gelangen, bedurfte es ungezügelter Geilheit, der fauligen Süße fehlgeleiteter Kinderliebe, sadistischer Neigungen und eines hinreichend deformierten Egos, um jede Widerwärtigkeit, die man beging, zu sentimentalisieren. Nicht wenige, die Einlass begehrten, sahen sich als Streiter für die sexuelle Befreiung derer, an denen sie sich vergriffen. Kontrolle ging ihnen über alles. Dabei empfanden sich die meisten als normal und jene, die ihrer Selbstverwirklichung im Wege standen, als die wahren Perversen. Andere reklamierten ihr legitimes Recht, pervers zu sein, wieder andere verstanden sich als Geschäftsleute. Doch kaum einer von ihnen hätte sich die Schmach gefallen lassen, als krank und schwach bezeichnet zu werden. Erst vor Gericht bemühten sie Gutachter ihres Unvermögens, dem Ruf ihrer Natur zu widerstehen, stilisierten sich zu bemitleidenswerten Getriebenen, die des Verständnisses und der Heilung bedurften. Unerkannt hingegen, im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte, kehrten sie allzu gerne auf den Spielplatz ihrer verklebten Fantasie zurück, ins Paradies der kleinen Kaiser, das aus ihrer Warte ja auch paradiesisch war, nur eben nicht für die kleinen Kaiser selbst.
Für die war es die Hölle.
Owen Jericho zögerte. Er wusste, dass er Animal Ma ab hier nicht weiter hätte folgen dürfen. Er sah den Mann, dessen Augen von archaisch dicken Brillengläsern zu einem Ausdruck beständigen Erstaunens geweitet wurden, den Platz überqueren, Po und Hüften elliptisch schlingernd. Der Entengang verdankte sich einem Hüftleiden, das den falschen Eindruck erweckte, leichtes Spiel mit ihm zu haben. Doch Ma Liping, wie er wirklich hieß, trug seinen Beinamen nicht von ungefähr. Er galt als angriffslustig und gefährlich. Tatsächlich gab er vor, auf den Namen Animal getauft worden zu sein, ein Akt bizarren Imponiergebarens, da er zugleich so tat, als sei es ihm peinlich. Ma war außerdem gerissen. Er musste es sein, andernfalls hätte er die Behörden nicht jahrelang in den Schlaf der Überzeugung singen können, der Pädophilie abgeschworen zu haben. Als wandelnder Beweis für das gelungene Experiment der Wiedereingliederung arbeitete er der Polizei im Kampf gegen die seuchenartig grassierende Kinderpornografie in China zu, lieferte Hinweise zur Ergreifung kleiner Fische und tat augenscheinlich alles, um sozialer Ächtung zu entkommen.
Fünf Jahre Haft als Kinderschänder, pflegte er zu sagen, sind wie fünfhundert Jahre Folterkeller.
Der von Zweckbauten geprägte Vorort des infektiös wuchernden Stadtgewebes Shenzhens im Süden Chinas hatte dem aus Peking stammenden Ma einen Neustart ermöglicht. Niemand kannte ihn hier, nicht einmal den ortsansässigen Behörden lag
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