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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Bilder aufgeteilt, die Räume aus der Perspektive von Überwachungskameras zeigten. Ohne Details erkennen zu können, wusste Jericho, dass eine der Kameras den Verkaufsraum überblickte, weil er sich selbst in dem Fenster herumspazieren sah. Das andere Zimmer wirkte dämmrig und enthielt offenbar wenig Mobiliar.
    War es das Hinterzimmer?
    »Zwei sehr schöne Stücke«, sagte Ma, stieg von der Leiter herab und legte Kamm und Bürste vor ihn hin. Jericho nahm beide Teile nacheinander hoch, strich mit den Fingern kundig durch die Borsten und inspizierte die Zinken. Wozu brauchte Ma eine Kamera, die sein Hinterzimmer überwachte? Zum Hof hin ergab die Kontrolle Sinn, aber wollte er sich bei der Arbeit zusehen? Unwahrscheinlich. Gab es noch einen weiteren Zugang von außen, der in dieses Zimmer mündete?
    »Eine Zinke ist kaputt«, stellte er fest.
    »Antike Stücke«, log Ma. »Der Charme des Unvollkommenen.«
    »Was wollen Sie dafür haben?«
    Ma nannte einen unverschämt hohen Preis. Jericho machte ein nicht minder unverschämtes Gegenangebot, wie es sich geziemte. Schließlich einigten sie sich auf eine Summe, die beiden gestattete, ihr Gesicht zu wahren.
    »Bei der Gelegenheit«, sagte Jericho, »fällt mir noch etwas ein.«
    Antennen der Wachsamkeit entsprossen Mas Schädel.
    »Sie hat eine Halskette«, fuhr er fort. »Wenn ich mich mit Schmuck nur auskennen würde. Aber ich möchte ihr gerne passende Ohrringe schenken, und, na ja, ich dachte –« Er deutete etwas hilflos auf die Auslagen in der Thekenvitrine. Sein Gegenüber entspannte sich.
    »Ich könnte Ihnen einiges zeigen«, sagte Ma.
    »Tja, ich fürchte, ohne die Kette bringt das nichts.« Jericho tat, als müsse er nachdenken. »Die Sache ist die, ich muss zu Terminen, aber heute Abend wäre der ideale Zeitpunkt, um sie damit zu überraschen.«
    »Wenn Sie mir die Kette brächten –«
    »Unmöglich, ein Zeitproblem. Das heißt, warten Sie mal. Empfangen Sie E-Mail?«
    »Sicher.«
    »Dann ist ja alles bestens!« Jericho gab sich erleichtert. »Ich schicke Ihnen ein Foto, Sie suchen was Passendes aus. Ich müsste es dann später nur abholen. Sie täten mir einen großen Gefallen.«
    »Hm.« Ma nagte an seiner Unterlippe. »Wann kämen Sie denn ungefähr?«
    »Tja, wenn ich das wüsste. Später Nachmittag? Früher Abend?«
    »Auch ich muss nämlich zwischendurch weg. Sagen wir, ab sechs? Ich wäre dann noch eine gute Stunde hier.«
    Dankbarkeit heuchelnd, verließ Jericho den An- und Verkauf, ging zu seinem Leihwagen zwei Straßen weiter und fuhr in eine bessere Gegend auf der Suche nach einem Schmuckgeschäft. Nach kurzer Zeit fand er eines, ließ sich Halsketten im unteren Preissegment zeigen und bat darum, eine mit seinem Handy fotografieren zu dürfen, um das Bild, wie er sagte, seiner Gattin zur Ansicht zu schicken. Zurück im Auto schrieb er Ma eine kurze E-Mail und fügte das Foto im Anhang hinzu, nicht ohne es mit einem Trojaner gekoppelt zu haben. Sobald Ma Liping den Anhang öffnete, würde er das Spähprogramm unwissentlich auf seine Festplatte laden, von wo es deren Inhalt übermittelte. Jericho rechnete zwar nicht damit, dass Ma so dumm war, verfängliche Inhalte auf einem öffentlich zugänglichen Computer zu speichern, doch darum ging es ihm auch gar nicht.
    Er fuhr zurück in die Nähe der Fabrik und wartete.
    Um kurz nach eins hatte Ma den Anhang geöffnet, und sogleich begann der Trojaner zu senden. Jericho verband sein Handy mit einem ausrollbaren Bildschirm und empfing, scharf und detailreich, die Eindrücke der beiden Überwachungskameras. Sie erfassten ihre Umgebung im Weitwinkelmodus, leider ohne Ton zu liefern. Dafür erhielt er wenig später die Bestätigung, dass Kamera zwei tatsächlich das von Schnüren abgeteilte Hinterzimmer überblickte, als Ma aus dem einen Fenster verschwand und gleich im anderen wieder auftauchte, zu einem Sideboard latschte und sich an einem Teekocher zu schaffen machte.
    Jericho taxierte die Einrichtung. Ein klobiger Schreibtisch mit Drehsessel und verschlissen aussehenden Stühlen davor, die jeden Besucher in bittstellerhaft hockende Position nötigten, einige windschiefe Regale, Packen geschichteten Papiers auf überforderten Pressspanböden, Ordner, Schnitzwerk und allerlei Scheußlichkeiten wie Seidenblumen und industriell gefertigte Buddhastatuen. Nichts ließ darauf schließen, dass Ma Wert auf eine persönliche Note legte. Kein Bild durchbrach die getünchte Monotonie der Wände, nirgendwo waren

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