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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Handy. Du hast es ihm geschenkt.«
    »Ein Wunder, dass er es überhaupt benutzt«, schnaubte sie. Es klingelte weiter. »Eigentlich müsste er im Autohaus sein. Wenn er nicht ran geht, werde ich da anru –«
    Das Freizeichen hörte auf. Leises Rauschen erklang, durchsetzt mit Nebengeräuschen. Niemand sprach.
    Yoyo sah sich unsicher zu Jericho um.
    »Vater?«, flüsterte sie.
    Die Antwort kam leise. Unheilvoll schlich sie heran, eine fette, träge Schlange, die sich aufrichtet, um ihr nächstes Opfer in Augenschein zu nehmen.
    »Ich bin nicht dein Vater, Yoyo.«
     
    Jericho wusste nicht, was geschehen würde. Yoyo war angeschlagen, ihre Freunde waren tot. Sie hatte Bilder zu verarbeiten, wie sie nur in Albträumen zu ertragen waren, deren Schrecken sich im Morgenlicht zersetzte. Aus diesem Albtraum aber gab es kein Erwachen – wie Gift sickerte Kennys Stimme in die Idylle der Insel. Doch als Yoyo sprach, schwang nichts als unterdrückte Wut in ihren Worten mit.
    »Wo ist mein Vater?«
    Kenny ließ sich mit der Antwort Zeit, viel Zeit. Yoyo schwieg ihrerseits in frostiger Erwartung, und so schwiegen beide, eine stumme Kraftprobe.
    »Ich habe ihm für heute freigegeben«, sagte er schließlich. Er krönte die Bemerkung mit einem leisen, selbstgefälligen Lachen.
    »Das ist keine Antwort auf meine Frage.«
    »Niemand hat gesagt, dass du Fragen stellen sollst.«
    »Geht es ihm gut?«
    »Sehr gut. Er ruht sich aus.«
    Die Art, wie Kenny ›sehr gut‹ sagte, war geeignet, das genaue Gegenteil anzunehmen. Yoyo ballte die Fäuste.
    »Pass auf, du krankes Schwein. Ich will auf der Stelle mit meinem Vater reden, hörst du? Danach stellst du meinethalben deine Forderungen, aber erst kommst du mit einem Lebenszeichen rüber, oder du kannst dich mit dir selber weiter unterhalten. War das einigermaßen verständlich?«
    Kenny ließ es eine Weile in der Leitung rauschen.
    »Yoyo, mein Jademädchen«, seufzte er. »Offenbar fußt dein Weltbild auf einer Reihe von Missverständnissen. In Geschichten wie dieser sind die Rollen anders verteilt. Jedes deiner Worte, das nicht meinen unbedingten Beifall findet, wird Hongbing zum Schmerz gereichen. Das kranke Schwein lasse ich dir durchgehen.« Er kicherte. »Vielleicht hast du ja sogar recht damit.«
    Eitel wie ein Pfau, dachte Jericho. Kenny mochte ein ziemlich exotisches Exemplar für einen Auftragskiller sein, umso mehr entsprach er dem Bild des psychopathischen Serientäters. Narzisstisch, verliebt ins eigene Wort, liebevoll mit seiner Unverträglichkeit kokettierend.
    »Ein Lebenszeichen«, beharrte Yoyo.
    Mit einem Mal wandelte sich das schwarze Rechteck. Kennys Gesicht füllte es fast vollständig aus. Wie ein Flaschengeist schwebte er über dem perlmuttweißen Strand. Dann verschwand er aus dem Blickwinkel der Kamera, und ein Zimmer wurde sichtbar, mit Fenstern an der Rückfront, durch die helles Tageslicht einfiel. Dunkel konturierten sich Möbel, ein Stuhl, auf dem jemand saß. Davor, dreibeinig und wuchtig, etwas Schwarzes.
    »Vater«, flüsterte Yoyo.
    »Sagen Sie doch bitte etwas, ehrenwerter Chen«, war Kennys Stimme zu vernehmen.
    Chen Hongbing verharrte so reglos auf seinem Stuhl, als sei er damit verwachsen. Im Gegenlicht war sein Gesicht kaum zu erkennen. Als er sprach, klang es, als trete jemand in trockenes Laub.
    »Yoyo. Geht es dir gut?«
    »Vater«, schrie sie. »Es wird alles gut, alles wird gut!«
    »Es – tut mir so leid.«
    »Nein, mir tut es leid. Mir!« Im nächsten Moment schossen ihr die Tränen in die Augen. Mit sichtbarer Willensanstrengung zwang sie sich zur Ruhe. Kenny geriet wieder ins Blickfeld
    »Miserable Qualität, dieses Handy«, sagte er. »Ich fürchte, dein Vater hat dich kaum hören können. Du solltest ihn vielleicht besuchen kommen, was meinst du?«
    »Wenn du ihm irgendetwas –«, begann Yoyo mit wackeliger Stimme.
    »Was ich tue, liegt einzig bei dir«, versetzte Kenny kühl. »Gerade hat er es ganz bequem, nur seine Bewegungsfreiheit ist ein bisschen eingeschränkt. Er sitzt im Scanner eines automatischen Gewehrs. Sprechen und zwinkern kann er. Sollte ihm der Sinn danach stehen, plötzlich aufzuspringen oder nur den Arm zu heben, geht die Waffe los. Leider auch, wenn er versucht, sich zu kratzen. Vielleicht doch nicht so komfortabel.«
    »Bitte tu ihm nicht weh«, schluchzte Yoyo.
    »Ich habe kein Interesse daran, jemandem wehzutun, ob du es glaubst oder nicht. Also komm her, und komm schnell.« Kenny machte eine Pause. Als er

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