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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Gere?«
    »Ja, genau! Gere! Der spielt darin den Großvater von –«
    »Scht!« Keowa brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Sieh mal.«
    Aus einem Seiteneingang des mittleren Gebäudes kamen zwei Männer in Freizeitkleidung, durchtrainiert wirkende Typen, schlenderten zu dem patrouillierenden Polizisten und sprachen ihn an. Beide trugen Sonnenbrillen.
    »Sehen nicht aus wie Ölarbeiter.«
    »Nein.« Keowa beugte sich vor, während sie überlegte, was das Déjà-vu auslöste. Mehrmals ließ sie die Aufnahme zurücklaufen, zoomte die Gesichter heran. Im nächsten Moment trat eine schlanke, mit einem Hosenanzug bekleidete Frau aus dem Gebäude und bezog neben dem Eingang Stellung. Der Polizist zeigte auf etwas, die Männer folgten seiner ausgestreckten Hand, einer hielt ihm etwas unter die Nase, das ein Stadtplan sein mochte, das Gespräch nahm seinen Fortgang. Im Hintergrund näherte sich ein Fettwanst mit langen, schwarzen Haaren, lenkte seine Schritte zu dem offen stehenden Seiteneingang und schlurfte ins Innere.
    »Sieh mal einer an«, flüsterte Keowa.
    Wenig später schüttelten die durchtrainierten Männer dem Polizisten die Hand und gingen ihrer Wege. Die Frau im Hosenanzug lehnte sich mit verschränkten Armen an einen Baum, Brufords Aufnahme sprang. Es folgten Sequenzen, auf denen wieder die Mädchen ihr Unwesen trieben, ohne dass sich im unmittelbaren Umfeld des Gebäudes noch etwas tat, dann sah man die Menschenmenge und das Podium. Uniformierte und Zivilisten drängten sich darauf, alles war in hektischer Betriebsamkeit begriffen. Bilder, die offenbar gleich nach dem Attentat entstanden waren.
    »Der Typ, der im Haus verschwunden ist –«, sagte der Praktikant.
    »Kann irgendwer sein. Der Hausmeister, der Installateur, irgendein Penner.« Keowa hielt inne. »Falls aber nicht –«
    »Hätten wir eben den Killer gesehen.«
    »Ja. Den Mann, der auf Gerald Palstein geschossen hat.«
    Sie tauschten einen Blick wie zwei Wissenschaftler, die soeben ein unbekanntes, wahrscheinlich tödliches Virus entdeckt hatten und am Abgrund des Schreckens den Nobelpreis funkeln sahen. Keowa isolierte ein Standbild von dem Fettleibigen, vergrößerte es, verband ihren Computer mit der Basisstation in Juneau und lud den Magnifier hoch, ein Programm, das noch aus dem körnigsten, unschärfsten Material Erstaunliches zutage förderte. Binnen Sekunden gewannen die verwischten Züge an Kontur, trennten sich Strähnen fettig herabhängenden Haars von weißlicher Haut, korrespondierte ein fransiger Schnurrbart mit kargem Kinngestrüpp.
    »Sieht asiatisch aus«, sagte der Praktikant.
    Ein Chinese, schoss es Keowa durch den Kopf. China engagierte sich im kanadischen Ölsandgeschäft. Hatten sie nicht sogar Lizenzen erworben? Andererseits, was sollte der Tod eines EMCO-Mannes daran ändern, dass Alberta verloren war? Oder war Imperial Oil in chinesischer Hand? Dann aber hätte ihnen auch EMCO gehören müssen. Nein, das ergab keinen Sinn. Und schon gar nicht, Palstein zu töten. Wie er es selbst ausgedrückt hatte: Jede unpopuläre Entscheidung, die ich fälle, fällen die Umstände für mich, außerdem bin ich nur der strategische Leiter.
    Sie strich sich übers Kinn.
    Alleine die Sequenz mit dem Fettleibigen würde einen Beitrag rechtfertigen, selbst wenn der Kerl sich als harmlos erweisen sollte. Mit dem Effekt allerdings, die Polizei der Lächerlichkeit preiszugeben. Greenwatchs Pulver wäre verschossen. Ein kurzer Triumph, der sie ihren entscheidenden Vorsprung in den Ermittlungen kosten würde. Die Chance, den Fall im Alleingang zu lösen, wäre vertan.
    Vielleicht, dachte Keowa, solltest du dich zufriedengeben.
    Unschlüssig ließ sie den Film zurück laufen bis zum Moment, da die Männer mit den Sonnenbrillen dem Polizisten ein Gespräch aufnötigten. Sie zoomte die Köpfe heran und ließ den Magnifier seine Arbeit tun, aus der Unschärfe Details herausarbeiten, die dem tatsächlichen Aussehen mit hoher Wahrscheinlichkeit nahekamen. Doch auch danach blieb der Polizist ein Fremder, irgendein Polizist halt. Dafür kam ihr der größere der beiden Männer bekannt vor. Sehr bekannt sogar.
    Der Computer teilte ihr mit, die Redaktion in Vancouver wünsche sie zu sprechen. Das Gesicht Sinas, Redakteurin für Gesellschaft und Vermischtes, erschien auf dem Display.
    »Du wolltest doch wissen, ob seit Jahresbeginn noch andere Führungskräfte aus der Ölbranche zu Schaden gekommen sind.«
    »Ja, richtig.«
    »Bingo. Drei.

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