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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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woraufhin man ihn behandelte, als stecke er mit dem Kinderschänder unter einer Decke. Er war viel zu erledigt, um sich darüber aufzuregen, ließ die Beamten lediglich wissen, sie täten im Interesse ihres beruflichen Fortkommens gut daran, eine bestimmte Nummer anzurufen. Der diensthabende Kommissar zog eine mürrische Miene, ging telefonieren, kehrte als veränderter Mensch zurück und reichte ihm das Telefon mit beinahe kindlicher Scheu.
    »Man wünscht Sie zu sprechen, Herr Jericho.«
    Es war Patrice Ho, sein hochrangiger Polizistenfreund aus Shanghai. Im Gegenzug für die Information, die Razzia in Lanzhou habe einen Ring Pädophiler auffliegen lassen, ohne dass eine Verbindung zum Paradies der kleinen Kaiser nachweisbar gewesen sei, veredelte Jericho ihm den Feierabend mit der Nachricht, das Paradies gefunden und die Schlange abserviert zu haben.
    »Welche Schlange?«, fragte sein Freund verdattert.
    »Vergiss es«, sagte Jericho. »Christenkram. Kannst du dafür sorgen, dass ich hier keine Wurzeln schlagen muss?«
    »Du hast einen Gefallen frei.«
    »Scheiß auf den Gefallen. Hol mich einfach hier raus.«
    Er wünschte nichts sehnlicher, als die Fabrik und Shenzhen so schnell wie möglich zu verlassen. Plötzlich genoss er jene Ehrerbietung, die man gemeinhin nur Volkshelden und sehr populären Verbrechern entgegenbrachte, doch erst um acht ließ man ihn ziehen. Er gab den Leihwagen am Flughafen ab, nahm die nächste Maschine nach Shanghai, einen Mach-1-Nurflügler, und checkte in der Luft seine Nachrichten.
    Tu Tian hatte versucht, ihn zu erreichen.
    Er rief zurück.
    »Ach, nichts Besonderes«, sagte Tu. »Ich wollte dir nur erzählen, dass deine Observierung erfolgreich war. Die böse Konkurrenz hat den Datenklau zugegeben. Wir hatten ein Gespräch.«
    »Prima«, sagte Jericho ohne sonderlichen Enthusiasmus. »Und was ist rausgekommen bei dem Gespräch?«
    »Sie haben versprochen, es zu lassen.«
    »Mehr nicht?«
    »Das ist doch eine ganze Menge. Ich musste ihnen meinerseits versprechen, es ebenfalls zu lassen.«
    »Wie bitte?« Jericho glaubte, sich verhört zu haben. Tu Tian, dessen Unternehmen sich als von Trojanern befallen erwiesen hatte, war in seiner Entrüstung gar nicht zu bremsen gewesen. Keinen Aufwand hatte er gescheut, um das, wie er sich ausdrückte, Pack elender Schmeißfliegen und Kakerlaken, die sich anmaßten, seine Firmengeheimnisse ausspionieren zu wollen, in die Finger zu bekommen. »Du hast auch bei denen –«
    »Ich wusste doch nicht, wer die sind.«
    »Und was, bitte, macht das für einen Unterschied?«
    »Du hast recht, keinen.« Tu lachte, formidabel gelaunt. »Kommst du übermorgen mit auf den Golfplatz? Ich lade dich ein.«
    »Sehr nett von dir, Tian, aber –« Jericho fuhr sich über die Augen. »Kann ich das später entscheiden?«
    »Was ist los? Schlechte Laune?«
    Shanghai-Chinesen waren anders. Unmittelbarer, offener. Nachgerade italienisch, und Tu Tian war möglicherweise der italienischste Shanghai-Chinese überhaupt. Er hätte Nessun Dorma singen können.
    »Ehrlich gesagt«, seufzte Jericho, »bin ich fix und fertig.«
    »So klingst du auch«, konstatierte Tu. »Wie ein nasser Lappen. Ein Lappenmann. Als müsste man dich zum Trocknen aufhängen. Was ist los?«
    Und weil der dicke Tu bei aller Egozentrik einer der wenigen Menschen war, denen Jericho Einblick in seine innere Verfassung gewährte, erzählte er ihm alles.
    »Junge, Junge«, staunte Tu nach Sekunden respektvollen Schweigens. »Wie hast du das angestellt?«
    »Hab ich doch gerade erzählt.«
    »Nein, ich meine, wie bist du ihm auf die Schliche gekommen? Woher wusstest du überhaupt, dass er es ist?«
    »Ich wusste es nicht. Es sprach einfach nur alles dafür. Ma ist eitel, weißt du. Die Webseite war mehr als ein Katalog vorproduzierter Scheußlichkeiten, wo Männer über Säuglinge herfallen und Frauen es sich von kleinen Jungs besorgen lassen, bevor sie mit dem Hackebeil auf sie losgehen. Es gab die üblichen Filme und Fotostrecken, du konntest aber auch die Holobrille aufsetzen und in 3-D dabei sein, und Verschiedenes passierte live, was diesen Typen einen besonderen Kick gibt.«
    »Ekelhaft.«
    »Aber vor allem gab es einen Chatroom, ein Liebhaberforum, wo sie sich austauschten und voreinander angaben. Sogar eine Art Second-Life-Ableger, in dem du dir eine virtuelle Identität zulegen konntest. Ma trat dort als Wassergeist auf, bloß, die meisten Pädos sind mit so was nicht vertraut. Sie sind eher

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