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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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in Kühltruhen. Er selbst in denkbar ungünstiger Position, sein Gegner viel zu dicht. Bodenloser Leichtsinn, die Küche betreten zu haben. Die gespenstische Wirkung flackernden Neons. Die Waffe in Vogelaars Hand, auf seine Bauchdecke zielend. Diskutieren oder kämpfen? Das Versagen der Ratio.
    Reflexe.
    Er duckte sich und führte einen Schlag gegen Vogelaars Handgelenk. Ein Schuss löste sich aus der Waffe, fuhr dröhnend in den Unterbau des Herdes. Im Hochkommen rammte er seinen Schädel gegen die Kinnspitze des anderen, sah den Mann taumeln, packte die Kasserolle und schleuderte sie ihm entgegen. Ein zuckendes Alien peitschte daraus hervor, der gehäutete Leib der Schlange. Sie klatschte Vogelaar ins Gesicht, die Kasserolle streifte seine Stirn. Mit aller Kraft trat Jericho nach der Hand mit der Waffe. Sie schepperte zu Boden, schlitterte unter den Arbeitstisch. Er fingerte nach der Glock, umspannte den Griff und prallte zurück, wie von einem Rammbock getroffen. Vogelaar hatte sich gefangen, eine blitzschnelle Drehung um seine eigene Achse beschrieben, das rechte Bein hochgerissen und ihm einen Tritt gegen die Brust verpasst.
    Alle Luft wich aus seinen Lungen. Hilflos knallte er gegen den Herd. Einem Derwisch gleich wirbelte Vogelaar heran. Der nächste Tritt traf seine Schulter, ein weiterer sein Knie. Mit einem Aufschrei ging er zu Boden. Der große Mann beugte sich über ihn, packte seinen Unterarm und schlug ihn mehrmals hintereinander hart gegen die Herdkante. Jerichos Finger zuckten, öffneten sich. Irgendwie schaffte er es, die Glock festzuhalten und seine Linke in Vogelaars Solarplexus zu versenken, doch die Wirkung war gleich null. Sein Gegner traktierte seinen Unterarm aufs Neue. Stechender Schmerz durchfuhr ihn. Diesmal flog die Pistole in hohem Bogen davon. Wie von Sinnen schlug er mit der freien Hand auf Vogelaars Rippen, in seine Nierengegend, fühlte, wie der Griff um seinen Arm sich lockerte, kam frei, robbte seitwärts.
    Wo war die Glock?
    Da lag sie! Keinen halben Meter entfernt.
    Er warf sich nach vorn. Vogelaar war schneller, zog Jericho hoch und schleuderte ihn gegen einen der Riesentöpfe. Reflexartig versuchte er sich daran festzuhalten, knickte ein, als Vogelaar ihn in die Kniekehlen trat, und riss den Topf im Fallen mit sich herunter. Ein Sturzbach fettiger Brühe ergoss sich über ihn, es hagelte Knochen, Gemüse und Fleisch. Besudelt und durchnässt wälzte er sich auf dem Küchenboden, sah den anderen über sich gebeugt, die zur Kralle gebogene Hand herabfahren, packte den leeren Topf mit beiden Händen und rammte ihn so heftig er konnte gegen Vogelaars Schienbeine.
    Der Südafrikaner stieß einen unterdrücken Schmerzenslaut aus, wankte. Wie ein Lurch glitt Jericho durch die Lache, kam schlitternd auf die Beine, ergriff eine Schale mit klein geschnittenen Tomaten und warf sie Vogelaar entgegen, ließ eine weitere folgen, Obstsalat, der Schwerkraft enthoben, Mango, Ananas und Kiwi im freien Fall. Für Sekunden war sein Widersacher mit Ausweichmanövern beschäftigt, Zeit genug, um einen Meter Distanz zu gewinnen, dann griff der Hüne wieder an. Jericho floh um den Arbeitstisch, packte ins Gestänge eines mehrstöckigen Regals, spannte die Muskeln. Im Kippen entleerte es seinen Inhalt, schepperten Töpfe, Bleche, Schalen und Siebe, Pfannen, Kasserollen und Besteckschubladen zu Boden. Vogelaar sprang vor der Lawine zurück. Im Nu war die Hälfte der Küche blockiert. Nur ein Weg führte jetzt noch nach draußen, entlang der gegenüberliegenden Seite des Arbeitstischs.
    Doch Vogelaar war den Schwingtüren näher.
    Idiot, schalt sich Jericho. Du hast dich in die Falle manövriert.
    Der Südafrikaner fletschte höhnisch die Zähne. Er schien das Gleiche zu denken, mit dem Unterschied, dass Jerichos Lage ihn sichtlich erheiterte. Einander belauernd verharrten sie, jeder ›sein‹ Kopfende des Tisches umklammernd. Erstmals bot sich die Gelegenheit, den Mann im Zucken der Neonröhre genauer zu betrachten. Zugleich förderte Jerichos Kurzzeitgedächtnis das Geburtsjahr des ehemaligen Söldners zutage, und plötzlich wurde ihm bewusst, dass sein Gegner die sechzig längst überschritten hatte. Eine Kampfmaschine im Rentenalter, gegen die das Privileg der Jugend zur Farce verkümmerte. Vogelaar schien nicht im Mindesten erschöpft, während er selbst wie eine Dampflok keuchte. Er sah die Augen des anderen aufleuchten, das Flackern der Neonröhre reflektieren, dann, übergangslos, wurde es

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