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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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seelisch in Auflösung begriffen, lief sie weiter, entsandte flehentliche Blicke in alle Richtungen, Straße rauf, Straße runter, bat das Schicksal um Gnade, um es im nächsten Augenblick zu verfluchen, und gab schließlich auf, außer Atem und mit stechenden Seiten. Es half alles nichts. Sie hatte es vermasselt. Eines lausigen Schildes wegen. Bloß weil sie Jericho unbedingt hatte wissen lassen wollen, wo sie war.
    Wie sollte sie ihm das beibringen?
     
    Ein hellhäutiger Schwarzer um die 50. Jericho versuchte sich den Mann vorzustellen. Vom Alter her konnte er zu Nyela passen.
    Andre Donner?
    Unschlüssig schaute er zum Muntu hinüber. Nichts tat sich dort. Die Lichter waren gelöscht, soweit man das durch die spiegelnde Scheibe beurteilen konnte. Nach einigen Minuten zog er sein Handy hervor, loggte sich in Dianes Datenbank ein und lud die Fotos von Mayé, die sie im Netz gefunden hatten.
    Fast alle entstammten Online-Artikeln über den Umsturz. Wellen geschlagen hatte die Sache eigentlich nur in westafrikanischen Medien, wo aus Anlass des Putsches üppig bebilderte Biografien des toten Diktators erschienen waren: Mayé, der ein Wasserwerk besichtigte. Mayé, der eine Militärparade abnahm. Mayé beim Redenschwingen, beim Streicheln von Kinderköpfen, flankiert von Ölarbeitern auf einer Plattform. Ein Mann, der geradezu aus dem Bild quoll vor physischer Präsenz und Selbstverliebtheit. Wer es geschafft hatte, mit ihm aufs Foto zu finden, erschien seltsam unscharf und bedeutungslos, halb verdeckt, nebensächlich. Anhand der Bildunterschriften erkannte Jericho Minister und Generäle wieder, die bei dem Putsch gestorben waren. Die übrigen Abgelichteten blieben namenlos. Was sie einte, war die für äquatoriale Gegenden typische dunkle bis sehr dunkle Hautfarbe.
    Jericho lud den Film, der Mayé zusammen mit Vogelaar, verschiedenen Ministern, Repräsentanten der Armee und den beiden chinesischen Managern am Konferenztisch zeigte, zoomte Gesichter heran, studierte den Hintergrund. Ein Uniformierter, der zwei Plätze hinter Vogelaar saß und dem chinesischen Vortrag mit arrogant gelangweilter Miene folgte, mochte als hellhäutig durchgehen, möglicherweise verdankte sich der Effekt aber auch nur einem Deckenstrahler.
    War einer von denen Donner?
    Er schaute auf und stutzte.
    Die Eingangstüre des Muntu stand offen.
    Nein, sie schwang zu! Hinter der Scheibe wurde ein hochgewachsener Schatten sichtbar und löste sich zwischen den Spiegelungen der gegenüberliegenden Gebäude auf. Jericho unterdrückte einen Fluch. Während er sich dem idiotischen Unterfangen gewidmet hatte, zwischen lauter Fremden einen Mann zu erkennen, von dem er gar nicht wusste, wie er aussah, war drüben jemand hineingegangen. Falls er tatsächlich hineingegangen war und die Tür nicht von innen geöffnet hatte. Hastig schob er seinen Stuhl zurück, verstaute sein Handy und trat nach draußen.
    War es Donner, den er gesehen hatte?
    Er überquerte die Straße, legte die Hände als schützende Halbschalen um seine Augen und schaute durch das kleine Fenster ins Innere. Der Raum lag im Dunkeln. Niemand zu sehen. Lediglich hinter den kleinen Fenstern in den Flügeltüren, die zur Küche führten, flackerte es bläulich wie von einer defekten Notbeleuchtung.
    Hatten ihm seine Sinne einen Streich gespielt?
    Ausgeschlossen.
    Er drückte gegen die Tür. Kühle, abgestandene Restaurantluft wehte ihm entgegen. Rasch ließ er seinen Blick über die straff gezogenen Tischdecken, die reglosen Farne und das Relief der Bar wandern. Von jenseits der Flügeltüren hörte er eine Maschine anspringen, ein Kühlaggregat möglicherweise. Er verharrte und lauschte. Keine weiteren Geräusche. Nichts, was darauf schließen ließ, dass sich außer ihm noch jemand hier aufhielt.
    Doch wohin sollte der Mann verschwunden sein?
    Seine Rechte legte sich mechanisch auf den Griff der Glock. Sie ruhte schmal und verschwiegen an ihrem Platz. Auch wenn er gekommen war, um Donner zu warnen, ließ sich nicht vorhersagen, wie der Mann auf seinen Besuch reagieren würde. Mit leisen Schritten lief er zur Bar und schaute hinter den verzierten Tresen. Niemand. Hinter den Flügeltüren zuckte eisig der Lichtschein. Er ging zurück in die Mitte des Raumes, wandte den Kopf zum Perlenvorhang, hinter dem die Toiletten lagen, vermeinte, einige der Schnüre sacht schwingen zu sehen, schaute genauer hin. Wie ertappte Kinder erstarrten sie zur Reglosigkeit.
    Er blinzelte.
    Nichts bewegte sich da.

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