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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Gar nichts. Dennoch trat er näher heran und lugte durch das Perlengitter in einen kurzen, düsteren Gang.
    »Andre Donner?«
    Er hatte keine Antwort erwartet, und er bekam auch keine. Die linke Tür führte, soweit er sehen konnte, zur Herrentoilette, ihr gegenüber lag das Pendant. Am Ende des Gangs befand sich eine weitere Tür mit der Aufschrift ›Privat‹. Er schob eine Hand zwischen die Schnüre, die zu murmelndem Leben erwachten, erweiterte den Spalt, zögerte. Vielleicht sollte er die Inspektion der Toiletten und der Privaträume auf später verlegen. Sein Blick schweifte zurück zu den Flügeltüren, und im selben Moment endete das Summen des Aggregats. Ganz deutlich hörte er nun –
    Nichts.
    Mit dem Gesang der Maschine hatte er sich wohler gefühlt.
    »Andre Donner?«
    Trockene Stille antwortete ihm. Selbst die Straßengeräusche schienen sich auf der Schwelle zu stauen. Langsam ging er auf die Flügeltüren zu und spähte durch eines der winzigen Fenster. Viel war nicht zu sehen. Eine kleine Welt in Chrom und Kachelweiß, stroboskopartig zerhackt von einer defekten Leuchtstoffröhre. Der archaische Leib eines Gasherds mit schwärzlichen Aufsätzen, überdacht von einer angelaufenen Wandhaube. Die Ecke eines Arbeitstischs. In einem Regal stapelten sich Bräter und Töpfe.
    Er trat ein.
    So klein war die Küche gar nicht. Überraschend geräumig für ein Restaurant wie das Muntu, drei Seiten eingenommen von Wandborden, Regalen, Kühlschränken, Spültisch, Backofen und Mikrowelle. Entlang der vierten Wand zogen sich Abstellflächen und Gestänge dahin, behängt mit Stielkasserollen, Pfannen, Suppenkellen und Spitzsieben. Ein länglicher Arbeitstisch beherrschte die Mitte des Raumes, in Herdnähe okkupiert von zwei riesigen Töpfen, Schüsseln voll klein geschnittenem Gemüse unter Klarsichtfolie und verschlossenen Styroporkisten. Wie als Gegengewicht thronte eine gewaltige Aufschnittmaschine am entgegengesetzten Ende. Es roch nach Brühe, erstarrtem Bratfett, Desinfektionsmitteln und der eisigen Süße tauenden Fleischs. Letzteres ruhte halb abgedeckt auf einem Backblech, fahlbraun im pulsierenden Licht, überzogen von schillernden Häuten, mit herausstehendem Knochen. Es sah aus wie der Hinterlauf eines großen Tiers. Kudu-Antilope, dachte Jericho. Er hatte kein Bild dieser Rasse vor Augen, doch er war sicher, den Lauf einer Antilope zu erblicken. Plötzlich stellte er sich die weißlichen Sehnen und Bänder unter dem Fell eines lebendigen Wesens vor, eine Meisterleistung der Evolution, die das Tier zu stupenden Sprüngen befähigte, ein hoch entwickelter Fluchtmechanismus und letztlich nutzlos gegen das kleinste und schnellste aller Raubtiere, die Gewehrkugel. Wachsam näherte er sich dem Herd. Zunehmend erweckte das bläuliche Flackern Assoziationen an eine Insektenvernichtungsmaschinerie, jedes Aufblitzen den Tod protokollierend, verschmorende Flügel und Beinchen, Facettenaugen, unbeeindruckt starrend, bevor sie in der elektrischen Hitze aufkochten und zerplatzten. In die kristallene Stille hinein vernahm er nun auch das Summen der Leuchte, ihr stolperndes Klicken, wenn sie ansprang und wieder erlosch, wie ein fremdartiger Code. Sein Blick erfasste eine Kasserolle auf dem Herd. Der Inhalt fesselte seine Aufmerksamkeit. Er schaute hinein. Etwas ringelte sich darin, das zu leben und sich zu winden schien im Puls der Leuchte, eine kopflose, zusammengerollte Schlange.
    Jericho starrte sie an.
    Plötzlich hatte er den Eindruck, die Temperatur sei um einige Grade abgefallen. Druck legte sich auf seine Brust, als umschlössen Finger sein Herz, um es zum Stillstand zu bringen. Seine Nackenhaare richteten sich auf. Er spürte den fremden Atem hinter sich und wusste, dass er nicht länger alleine in der Küche war. Lautlos hatte sich der andere herangepirscht, aus dem Nichts manifestiert, ein Profi, ein Meister der Tarnung.
    Jericho fuhr herum.
    Der Mann war um einiges größer als er, dunkelhaarig, mit kräftiger Kinnpartie und hellen, durchdringenden Augen. In einem früheren Leben hatte er einen Schnurrbart getragen und war aschblond gewesen, wovon nur noch die hellen Wimpern und Augenbrauen zeugten, doch Jericho erkannte ihn sofort. Er war mit den Gesichtern des Mannes vertraut, erst vor wenigen Minuten hatte er sie wieder gesehen, auf dem Display seines Handys.
    Jan Kees Vogelaar.
    Aufgeschreckte Gedanken, schwarmartig: Vogelaar, der auf Donner wartete, um ihn zu töten. Ihn schon getötet hatte. Leichen

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