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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Tritt und ging zu Bett in der Hoffnung, schlafen zu können.
     

21. MAI 2025
    [DER FAHRSTUHL]
    DIE HÖHLE
     
    »Ursprünglich war der Stellar Dome am höchsten Punkt vorgesehen, dort, wo sich jetzt die Kristallkuppel mit dem Restaurant befindet«, erklärte Lynn Orley, während sie der Gruppe voran durch die Lounge ging. »Bis wir bei der Exploration der Insel auf etwas stießen, das uns veranlasste, unsere bisherigen Pläne über den Haufen zu werfen. Der Berg lieferte eine Alternative, wie wir sie uns kaum hätten ausdenken können.«
    Am Abend des dritten und letzten Tages ihres Aufenthalts auf der Isla de las Estrellas erwartete die Reisegruppe das Präludium zum großen Abenteuer. Lynn führte sie zu einem breiten, verschlossenen Durchgang an der Rückwand der Lobby.
    »Niemandem dürfte entgangen sein, dass das Stellar Island Hotel wie ein im Vulkan gestrandeter Ozeandampfer aussieht. Und offiziell ist dieser Vulkan erloschen.« Hier und da registrierte sie Unbehagen. Insbesondere in Momoka Omuras Fantasie schienen Lavaströme durch die Lounge zu fließen und ihr nachhaltig den Abend zu verderben. »Im Gipfel und entlang der Flanke herrschen moderate Temperaturen. Angenehm kühl, bestens geeignet, um Lebensmittel und Getränke zu lagern, Pumpen, Generatoren und Aufbereitungsanlagen dort unterzubringen, Wäscherei, Hausmeisterei und Verschiedenes mehr. Gleich hinter mir«, sie wandte den Kopf zu den Schotts, »waren Büros vorgesehen. Wir begannen, in den Fels hineinzubohren, doch schon nach wenigen Metern landeten wir in einer Verwerfung, die sich zur Höhle erweiterte, und am Ende dieser Höhle –«
    Lynn legte die Handfläche auf einen Scanner, und die Türflügel glitten auseinander.
    »– lag der Stellar Dome.«
    Ein abschüssiger Gang mit grob behauenen Wänden erstreckte sich jenseits des Durchgangs und knickte ab, sodass sich sein weiterer Verlauf den Blicken entzog. Lynn sah Neugierde auf den Gesichtern, Erregung und Vorfreude. Lediglich Momoka Omura schien nach der Zusicherung, nicht in flüssigem Gestein zu verglühen, das Interesse verloren zu haben und schaute angelegentlich zur Decke.
    »Noch Fragen?« Lynn ließ ein geheimnisvolles Lächeln ihre Mundwinkel umspielen. »Dann mal los.«
    Eine Collage aus Sounds umfing sie, die alle natürlichen Ursprungs zu sein schienen. Es knackte, hallte, wisperte und tröpfelte, zusätzlich schufen orchestrale Flächen eine der Zeit entrückte Atmosphäre. Lynns Idee, an der Emotionsschraube zu drehen, ohne ins Disneyhafte abzurutschen, entfaltete ihre Wirkung: Klänge am Rande der Wahrnehmungsgrenze, um auf subtile Weise Stimmungen zu erzeugen, was eine komplizierte technische Installation erforderlich gemacht hatte, doch das Resultat übertraf alle Erwartungen. Hinter ihnen schlossen sich die Türflügel und schnitten sie von der luftigen, komfortablen Atmosphäre der Lobby ab.
    »Diesen Abschnitt haben wir selbst angelegt«, erklärte Lynn. »Gleich nach dem Knick beginnt der natürliche Teil. Das Höhlensystem durchzieht die komplette Ostflanke des Vulkans, Sie könnten stundenlang darum herumlaufen, aber wir haben es vorgezogen, die Durchgänge zu schließen. Andernfalls bestünde Gefahr, dass Sie uns im Herzen der Isla de las Estrellas verloren gehen.«
    Jenseits der Biegung erweiterte sich der Korridor beträchtlich. Es wurde dunkler. Schatten huschten über schartigen Basalt wie von aufgeschreckten, fremdartigen Tieren, die sich angesichts der Horde Touristen in Sicherheit brachten. Der Hall ihrer Schritte schien der Gruppe zugleich vorauszueilen und zu folgen.
    »Wie entstehen solche Höhlen?« Bernard Tautou legte den Kopf in den Nacken. »Ich hab schon einige gesehen, aber jedes Mal vergessen zu fragen.«
    »Das kann alle möglichen Ursachen haben. Spannungen im Gestein, Wassereinschlüsse, Rutschungen. Vulkane sind poröse Strukturen, wenn sie erkalten, bleiben oft Hohlräume zurück. In diesem Fall handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Abflusskanäle für Lava.«
    »Na klasse«, polterte Donoghue. »Wir sind in der Gosse gelandet.«
    Der Gang beschrieb eine Kurve, verengte und dehnte sich zu einem annähernd runden Raum. Entlang der Wände sah man Motive wie aus der Morgendämmerung der Menschheit, teils gemalt, teils in den Fels geritzt. Bizarres Leben glotzte die Besucher aus dem Halbschatten an, mit abgründig dunklen Augen, Hörnern und Schwänzen und helmartigen Kopfbedeckungen, denen antennenförmige Auswüchse entsprossen.

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