Limit
blitzten übermütig, sein Grinsen strahlte wie Leuchtturmfeuer.
»Da seid ihr ja endlich«, sagte Julian Orley. »Na dann: Rock'n'Roll!«
Tim hielt sich abseits, während er zusah, wie sein Vater die Gäste mit Handschlag oder Umarmung begrüßte, je nach Vertrautheit. Julian, der große Kommunikator, Fuchseisen der Freundlichkeit auslegend. So begeistert davon, Menschen kennenzulernen, dass er nie in Zweifel zog, ob diese Menschen auch ihn kennenlernen wollten, und genau das zog sie an. Die Physik der Begegnung kennt Anziehung und Abstoßung, doch Julians Schwerefeld zu entkommen, war praktisch unmöglich. Man wurde ihm vorgestellt und empfand wärmende Vertrautheit. Zwei, drei weitere Male, und man schwelgte in Erinnerungen an gemeinsame Zeiten, die es nie gegeben hatte. Viel tat Julian dafür nicht, er legte sich keine Bonmots zurecht, übte keine Reden vor dem Spiegel, er ging einfach nur wie selbstverständlich davon aus, im Newton'schen Zwei-Körper-System der Planet und nicht der Trabant zu sein.
»Carl, mein Alter! Schön, dich dabeizuhaben!«
»Evelyn, du siehst fantastisch aus. Welcher Idiot hat gesagt, der Kreis sei die vollkommenste Form?«
»Momoka, Warren. Willkommen. Ach, danke übrigens noch für letztes Mal, ich wollte längst anrufen. Ehrlich gesagt, ich weiß kaum, wie ich nach Hause gekommen bin.«
»Olympiada Rogaschowa! Oleg Rogaschow! Ist das nicht wunderbar? In diesen Sekunden treffen wir uns zum ersten Mal, und morgen reisen wir schon gemeinsam zum Mond.«
»Chucky, mein Alter, für dich hab ich einen sauguten Witz, aber dafür müssen wir auf Seite gehen.«
»Wo ist meine Elbenkönigin? Heidrun! Endlich lerne ich deinen Mann kennen. Haben Sie den Chagall gekauft? – Klar weiß ich davon, ich kenne alle Ihre Leidenschaften. Sie schwärmt mir ja unentwegt von Ihnen vor.«
»Finn, Junge, jetzt wird's ernst. Jetzt musst du da hoch. Und das hier ist kein Film!«
»Eva Borelius, Karla Kramp. Auf Sie beide habe ich mich ganz besonders –«
Und so weiter, und so fort.
Für jeden fand Julian vertrauliche Worte, dann kam er zu Tim und Amber geeilt, mit einem verstohlenen Ich-hab-mich-davongeschlichen-Grinsen auf den Lippen.
»Und? Wie gefällt's euch?«
»Super«, sagte Amber und legte ihm einen Arm um die Schultern. »Die Magmakammer ist der Wahnsinn.«
»Lynns Idee.« Julian strahlte. Er war kaum fähig, den Namen seiner Tochter auszusprechen, ohne ins schluchzend Melodiöse zu verfallen. »Und das ist noch gar nichts! Wartet erst mal die Show ab.«
»Sie wird wie immer perfekt sein«, sagte Tim mit kaum verhohlenem Sarkasmus.
»Haben wir gemeinsam konzipiert, Lynn und ich.« Wie üblich tat Julian so, als habe er den bissigen Unterton nicht bemerkt. »Die Höhle ist ein Geschenk des Himmels, ich sag's euch. Die paar Sitzreihen sehen vielleicht nach nichts aus, aber wir können jetzt schon 500 zahlenden Gästen das Spektakel um die Ohren hauen, und wenn's mehr werden –«
»Ich dachte, das Hotel bietet nur 300 Gästen Platz?«
»Schon, aber praktisch könnten wir die Kapazitäten verdoppeln. Vier, fünf Decks draufsetzen auf unseren Ozeandampfer, oder Lynn baut einen zweiten. Alles kein Problem. Hauptsache, wir bekommen die Kröten für einen zusätzlichen Lift zusammen.«
»Hauptsache, du hast kein Problem.«
Julian sah Tim aus seinen hellblauen Augen an.
»Hab ich auch nicht. Ihr entschuldigt mich? Amüsiert euch, bis später. – Oh, Madame Tautou!«
Julian schoss zwischen den Besuchern hin und her, ein Lachen hier, ein Kompliment dort. Zwischendurch zog er Lynn an sich und küsste sie auf die Schläfe. Lynn lächelte. Sie wirkte stolz und glücklich. Amber nippte an ihrem Champagner.
»Du könntest ein bisschen freundlicher zu ihm sein«, sagte sie leise.
»Zu Julian?«, schnaubte Tim.
»Zu wem denn sonst?«
»Was macht es für einen Unterschied, ob ich freundlich zu ihm bin? Er sieht doch ohnehin nur sich selber.«
»Vielleicht macht es ja einen Unterschied für mich.«
Tim starrte sie verständnislos an.
»Was ist?« Amber hob die Brauen. »Begriffsstutzig geworden?«
»Nein, aber –«
»Offenbar doch. Dann erklär ich's dir eben anders. Ich hab keine Lust, in den nächsten zwei Wochen ständig dein langes Gesicht zu sehen, klar? Ich will diese Reise genießen, und das solltest du auch.«
»Amber –«
»Lass deine Vorbehalte hier unten.«
»Es geht nicht um Vorbehalte! Die Sache ist die, dass –«
»Es ist immer irgendwas.«
»Aber –«
»Kein
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