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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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bezichtigt und aufgefordert, den alten Zustand umgehend wiederherzustellen. Die Kommunistische Partei bat sich aus, den Sachverhalt zu prüfen, und erklärte am 11. Mai, sich keiner Schuld bewusst zu sein. Ohne offiziell ausgehandelte Grenzen könne eine Grenzverletzung gar nicht gegeben sein. Überhaupt sei Washington ja bekannt, was die Welt davon halte, dass Amerika unter Missachtung aller Klauseln des Weltraumvertrags im Allgemeinen und des Mondvertrags im Besonderen Tatsachen geschaffen habe, und wie man auf die abstruse Idee komme, einen Himmelskörper, der diesen Verträgen zufolge niemandem gehöre, mit Grenzen überziehen zu wollen? Ob man die leidige Diskussion tatsächlich ein weiteres Mal wünsche, anstatt sich mit der doch für jedermann ersichtlichen eigenen Übermacht zufriedenzugeben?
    Die USA fühlten sich brüskiert. Der Mond war weit weg, niemand auf der Erde konnte so genau sagen, wer da gerade auf wessen Territorium herumspazierte, doch am 13. Mai meldete die Mondbasis die Gefangennahme des chinesischen Astronauten Hua Liwei. Der Mann habe unangemeldet auf dem Gelände der amerikanischen Förderstation herumgeschnüffelt, einer automatisierten Einrichtung, weswegen er kaum in der Absicht dort erschienen sein dürfte, bei Tee und Gebäck über das Mondwetter zu plaudern. Dass Hua zudem Kommandant der chinesischen Basis war, ein hochdekorierter Offizier, dem keine Gelegenheit gegeben wurde, seine Version der Ereignisse darzulegen, trug nicht eben zur Entschärfung der Situation bei. Peking tobte, protestierte aufs Schärfste. Im Ministerium für Staatssicherheit überbot man sich gegenseitig in der Ausmalung des Martyriums, das Hua in der abgelegenen polaren Basis zu erdulden habe, und forderte dessen sofortige Freilassung, was Washington geflissentlich ignorierte, woraufhin chinesische Verbände, nunmehr offiziell, mit bemannten Fahrzeugen und Förderrobotern auf amerikanisches Territorium vordrangen, jedenfalls wurde es so kolportiert. De facto war ein einziger unglücklicher, kleiner Roboter im Spiel, der versehentlich eine amerikanische Maschine rammte und dabei vollständig zu Klump ging. Von mehreren bemannten Fahrzeugen konnte angesichts des vereinsamt herumkurvenden chinesischen Rovers keine Rede sein, und auch die gefürchteten Verbände entpuppten sich bei genauerem Hinsehen als der rat- und planlose Rest der Basisbesatzung, zwei Frauen, die des politischen Armdrückens wegen eine Invasion vorzutäuschen hatten, während die US-Astronauten am Pol nicht verstanden, warum sie den armen Hua hatten gefangen nehmen müssen, und alles daransetzten, ihm wenigstens eine gute Zeit zu bereiten.
    Das aber interessierte niemanden auf der Erde.
    Stattdessen versuchten exorziert geglaubte Gespenster einander zu Tode zu erschrecken. Imperialismus kontra rote Flut. In gewisser Weise hatte die Aufregung sogar ihre Berechtigung. Tatsächlich ging es nicht im Geringsten um die paar Astronauten oder einige Quadratkilometer Terrain, sondern darum wer oben das Sagen hatte und haben würde, wenn noch mehr Nationen den Mond in Besitz zu nehmen trachteten. Washington drohte denn auch prompt mit Sanktionen, fror chinesische Konten ein, hinderte chinesische Schiffe daran, amerikanische Häfen zu verlassen, und warf den chinesischen Botschafter raus, was Peking zum Anlass nahm, mit massiven Maßnahmen gegen die amerikanische Förderung zurückzudrohen, falls Konten, Schiffe und Hua nicht umgehend freigegeben würden. Amerika beharrte auf einer Entschuldigung. Vorher werde überhaupt niemand freigelassen. Peking kündigte an, die amerikanische Station stürmen zu wollen. Verblüffenderweise stellte niemand die Frage, wie die völlig überforderten Taikonautinnen am unwegsamen, gebirgigen Nordpol eine riesige, teils unterirdische Basis einnehmen sollten, und nachdem Washington im Falle einer Erstürmung mit Militärschlägen gegen die chinesische Förderstation und chinesische Einrichtungen auf der Erde gedroht hatte, war auch niemandem mehr danach, sie zu stellen.
    Die Welt begann, Angst zu empfinden.
    Davon unbeeindruckt, wenn nicht sogar motiviert, schlugen die erzbeleidigten Supermächte weiter aufeinander ein. Jeder bezichtigte den anderen, die Aufrüstung des Weltraums zu betreiben und auf dem Mond Waffen stationiert zu haben, sodass die Nachrichten voll von Simulationen atomarer Auseinandersetzungen auf dem Trabanten waren, verbunden mit der Gefahr, auf der Erde ihre Fortsetzung zu finden. Während die BBC

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