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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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uns erschossen, was sollten wir denn machen? Ich bin sicher, Jan hat bis zuletzt einen Weg gesucht, Sie beide zu retten, er wollte Ihnen das Dossier überlassen, um –«
    »Wo, Nyela?«
    »Ich dachte, er hätte es Ihnen gesagt.«
    »Was gesagt?« Jericho glaubte durchzudrehen. »Nyela, verdammt noch mal, wo hatte –«
    »Hatte, hatte!« Sie schüttelte wild den Kopf, spreizte die Finger. »Sie stellen die falschen Fragen. Er ist das Duplikat!«
    Jericho starrte sie an.
    »Wie meinen S –«
    Ihrem Hals entsprang ein roter Rüschenkragen. Warme Flüssigkeit spritzte ihm entgegen. Er warf sich auf Nelés Schoß. Über ihm zerplatzte die Kuppel des Nissan, Schaumstoff und Granulat der Sitzbank flogen ihm um die Ohren. Geduckt zog er die Steuerung zu sich herüber, gab Gas, raste los. Eine Salve wanderte in trockenem Stakkato durch die Karbonverkleidung. Jericho reckte den Kopf, sodass er mit knapper Not über die Armaturen schauen konnte, spürte Nyela schwer gegen seine Schulter sinken und verlor die Kontrolle. Der Wagen schlingerte die Straße entlang, scherte auf die Gegenfahrbahn und bretterte zwischen bremsenden und hupenden Pkws hindurch auf den Gehsteig. Passanten stoben auseinander. In letzter Sekunde verriss er das Steuer nach links, um zurück auf seine Seite zu gelangen, wobei er fast mit einem Kleintransporter kollidierte, der schwankend auswich und mehreren geparkten Wagen die Seiten verschrammte, holperte über die Bordsteinkante und hielt auf die Abzweigung zur Spree zu.
    Dort, hochgewachsen und weißhaarig, sah er den Todesengel.
    Xin feuerte im Laufen, kam ihm direkt entgegen. Erneut korrigierte Jericho die Richtung. Der Nissan drohte umzukippen, die Kabine war zu weit hochgefahren, der Radstand zu eng für derartige Manöver. Sein Blick suchte die Armaturen ab. Xin war stehen geblieben, um besser zielen zu können. Mit lautem Knall verabschiedete sich ein Stück der demolierten Dachverkleidung. Der Nissan flog auf Xin zu, und Jericho machte sich auf den Aufprall gefasst.
     
    Xin sprang zur Seite.
    Wie ein überdimensionaler, außer Kontrolle geratener Kinderwagen raste der Wagen an ihm vorbei. Xin feuerte hinterher, vernahm das Quietschen von Bremsen, entging um Haaresbreite einer Limousine und stolperte auf die Gegenfahrbahn, was einem Motorradfahrer halsbrecherische Kapriolen abnötigte. Die Maschine geriet ins Schleudern, stellte sich quer. Xin hechtete aus der Fahrtlinie, fühlte sich von etwas gestreift, flog durch die Luft und prallte bäuchlings aufs Pflaster. Ein Kleinwagen hatte ihn erwischt, dessen Fahrer umgehend das Weite suchte. Andere Fahrzeuge blieben stehen, Menschen stiegen aus. Er rollte sich auf den Rücken, bewegte Arme und Beine, sah den Motorradfahrer herbeilaufen und fingerte nach seiner Pistole.
    »Großer Gott!« Der Mann beugte sich über ihn. »Ist Ihnen was passiert?«, fragte er auf Englisch. »Alles in Ordnung?«
    Xin packte die Waffe und hielt ihm den Lauf unter die Nase.
    »Alles bestens«, sagte er.
    Der Motorradfahrer erbleichte und wich zurück. Xin schnellte auf die Füße. Mit wenigen Sätzen war er bei der abgestellten Maschine, grätschte auf den Sattel und preschte in Richtung Spree, wo er mit quietschenden Reifen anhielt und sich nach allen Seiten umsah.
    Da! Der Nissan. Überfuhr eine rote Ampel, entfernte sich südwärts.
     
    Jericho schaute sich um und sah ihn kommen.
    Er war falsch gefahren. Der Audi stand ganz woanders. Längst hätte er den Wagen wechseln können, raus aus der zertrümmerten Kuppel des Nissan und weg von der Toten, die hin und her geworfen wurde und unablässig gegen ihn schlug. Sein Blick suchte die Armaturen nach dem Bedienelement für den Radstand ab. Fast alle Funktionen ließen sich über den Touchscreen steuern, irgendein Symbol musste es geben, doch er schaffte es nicht, sich darauf zu konzentrieren. Immer wieder musste er ausweichen, gegenlenken, bremsen und beschleunigen.
    Xin holte auf.
    Jericho rumpelte die kopfsteingepflasterte Uferpromenade entlang, schnitt einen Lastwagen und gelangte auf einen herrschaftlichen, von imperialer Architektur gesäumten Boulevard. Er versuchte sich zu erinnern, wo es von hier zum Hotel ging. Der hochgebockte Nissan wechselte von einer Schieflage in die andere, drohte umzukippen. Plötzlich wurde ihm klar, dass er keinerlei Plan hatte. Nichts, gar nichts! In einem zertrümmerten Kleinwagen, eine Tote an seiner Seite, raste er durch die Berliner Innenstadt, Xin hinter sich, der unerbittlich

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