Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
den Einschlägen erdröhnen, rannte in Richtung des gläsernen Flügels –
    Und stoppte.
    Den Glasgang zu betreten hieß, im Karree des Museums gefangen zu sein. Linker Hand führte der Weg zur James-Simon-Galerie, und gerade, für Sekunden, hatte Xin ihn aus den Augen verloren –
    Wie ein Hund sprang er auf alle viere, hastete, Deckung suchend, hinter die Säulen, kroch in Gegenrichtung zurück, gewahrte Xin aus dem Augenwinkel in den Glasgang rennen, richtete sich auf und rannte in den Durchgang zur Galerie, während er die Glock im Futteral verschwinden ließ. Ab sofort war er nur noch einer, der wie alle versuchte, einer statistischen Erwähnung in den Abendnachrichten zu entgehen. Ein Tsunami des Aufruhrs fegte durch die Vorhalle, sodass niemand auf ihn achtete, als er nach draußen eilte. Mehr sprang er die Treppe zum Fluss herunter, als dass er lief, und überquerte die Brücke, die auf die andere Seite führte.
    Nyela. Das Dossier!
    Er musste ins Muntu.
     
    Im Glasflügel herrschte relative Ruhe. Xin suchte die Menge nach Jerichos blondem Schopf ab. Seine Pistole zauberte Beklommenheit auf die Gesichter ringsum, doch irgendetwas stimmte nicht. Wäre Jericho, bewaffnet, schreiend und rempelnd, vor ihm hier durchgekommen, die Menschen wären weniger gelassen gewesen. Offenbar hielten sie ihn für einen Sicherheitsbeamten auf Kontrollgang. Sein Blick tastete den Korridor ab, dessen westlicher Rand von einem Streifen senkrecht einfallenden Sonnenlichts gesäumt war. Der Obelisk gleich vor ihm, das Artefakt des Säulentempels von Sahuré, die auf Sockeln thronenden, überlebensgroßen Pharaonen, das klotzige Tempeltor von Kalabscha, nicht auszuschließen, dass Jericho Nerven genug hatte, sich dort zu verbergen. Sein Vorsprung hatte maximal zehn Sekunden betragen, eben ausreichend, hinter einer der Pharaonengottheiten in Deckung zu gehen.
    Und wenn er nach Norden hin –
    Nein. Xin hatte ihn hier hineinlaufen sehen.
    Wachsam drang er weiter vor, im Schutz zusehends nervös werdender Besucher, zielte hinter Sockel, Säulen, Fassaden und Statuen. Irgendwo in diesem Gang musste Jericho sein, doch niemand empfing ihn mit Schüssen, hetzte aufgeschreckt davon, versuchte sich in einer tollkühnen Frontalattacke. Mittlerweile schlug die allgemeine Anspannung in offene Furcht um, fanden sich Sorgenfalten zu Fragezeichen, ob man es vielleicht doch mit einem Terroristen zu tun habe. In Kürze würden Bewaffnete hier auftauchen, dessen war er sicher. Wenn er den Detektiv nicht schleunigst aufstöberte, musste er unverrichteter Dinge verschwinden.
    »Jericho!«, schrie er.
    Seine Stimme wurde von den Glasfronten verschluckt.
    »Komm raus. Lass uns reden.«
    Keine Antwort.
    »Ich verspreche, dass wir reden werden, hörst du?«
    Reden, und dann schießen, dachte er, doch alles blieb still. Natürlich hatte er nicht erwartet, dass Jericho sich mit erfreutem Ach-so!-Gesicht aus dem Schatten schälen würde, doch das völlige Ausbleiben jeder Reaktion, außer, dass alle um ihn herum es plötzlich sehr eilig hatten, den Glasgang zu verlassen, entfachte seine Wut. Aufs Äußerste erregt, stapfte er weiter, sah zwischen den Säulen des Kalabscha-Tors eine Bewegung und feuerte hinein. Eine Japanerin, den Fotoapparat mit beiden Händen umklammernd, taumelte mit einem Ausdruck sachter Verwunderung daraus hervor, schoss reflexartig ein letztes Foto und schlug der Länge nach hin. Panik griff um sich, setzte eine Stampede in Gang. Xin nutzte die Verwirrung, rannte ans Ende des Gangs und sah sich wild nach allen Seiten um.
    »Jericho!«, brüllte er.
    Er lief zurück, starrte durch die Glasfront auf den Innenhof, wandte den Kopf. Aus dem Durchgang zur James-Simon-Galerie war das Herannahen schwerer Stiefel zu hören. Sein Blick fiel auf die Brücke, die vom Pergamon-Museum auf die gegenüberliegende Seite führte, suchte die Uferpromenade ab –
    Da! Skandinavisches Blond, schon ein ganzes Stück entfernt. Jericho lief wie von Teufeln gehetzt, und Xin begriff, dass der Detektiv ihn ausgetrickst hatte. Er fluchte. Zwischen den Statuen der Priesterkönige kam es zum Gedränge. Wachleute, diesmal mit schwererer Bewaffnung, versuchten sich an den Besuchern, die ihnen entgegenflohen, vorbeizudrängen. Er hatte zu lange gezögert, zu viel Blut vergossen, als dass sich die Neuankömmlinge mit langen Vorreden aufhalten würden. Er brauchte eine Geisel.
    Ein Mädchen rutschte auf dem glatt gewienerten Boden aus.
    Mit einem Satz war er hinter ihr,

Weitere Kostenlose Bücher