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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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war unnötig«, stieß er hastig hervor. »Das jedenfalls hast du aus purem Vergnügen getan.«
    Hanna schüttelte nachsichtig den Kopf.
    »Das verstehst du nicht, Warren. Du kennst meinesgleichen aus dem Kino und denkst, wir sind alle Psychopathen. Aber Töten ist nichts, was vergnügt oder belastet. Es ist ein Akt der Entpersonalisierung. Du kannst nicht zugleich einen Menschen und ein Ziel sehen. Vorhin im Schrötertal waren die drei zu nahe, selbst Mimi und Marc. Marc etwa hätte über den Ausleger zurückkriechen und mir mit dem zweiten Rover folgen können, von Peter ganz zu schweigen. Ich durfte keinerlei Risiko eingehen.«
    »Und warum hast du uns nicht gleich alle –«
    »Weil ich dachte, ihr anderen seid oben auf Snake Hill und damit zu weit weg, um mir gefährlich zu werden. Ob du es glaubst oder nicht, Warren, ich versuche, Leben zu schonen.«
    »Wie tröstlich«, murmelte Locatelli.
    »Nur mit dir hatte ich nicht gerechnet. Wieso warst du plötzlich da?«
    »Zurückgegangen.«
    »Warum? Keine Lust auf schöne Aussicht?«
    »Kamera vergessen.« Seine Stimme klang betreten in seinen eigenen Ohren, peinlich berührt. Hanna lächelte mitfühlend.
    »Nichtigkeiten ändern Lebensläufe«, sagte er. »So ist das.«
    Locatelli kniff die Lippen zusammen, starrte auf seine Stiefelspitzen und kämpfte einen hysterischen Lachanfall nieder. Hier saß er und machte sich Gedanken darüber, ob sein Eingeständnis der Vergesslichkeit posthum gegen sein Handeln aufgerechnet und die Bilanz seiner Heldenhaftigkeit schmälern würde. Oder? Es würde doch wenigstens so etwas wie einen Nachruf geben! Eine ergreifende Rede. Einen Toast, ein bisschen Musik: Oh Danny Boy –
    Er schaute auf.
    »Warum lebe ich noch, Carl? Hast du's nicht eilig? Was sollen die Spielchen?«
    Hanna betrachtete ihn aus seinen dunklen, unergründlichen Augen.
    »Ich spiele keine Spielchen, Warren, dafür mangelt es mir an Perfidie. Du warst über eine Stunde lang ohnmächtig. Während deiner Auszeit habe ich unsere Lage analysiert. Ziemlich unerfreulich.«
    »Meine sowieso.«
    »Meine auch. Mir war unverständlich, warum ich die Kiste nicht im letzten Moment habe hochziehen können. Mit vertikalem Gegenschub hätten wir die Bruchlandung eigentlich vermeiden sollen. Aber die Düsen sind über dem Boden ausgefallen, als wir durch diese Staubwolken flogen, womöglich verstopft. Unglücklicherweise hat es uns beim Aufsetzen die Landestützen weggehauen, die Ganymed liegt also auf dem Bauch, ein gutes Stück eingegraben. Ich muss dir wohl nicht sagen, was das bedeutet.«
    Locatelli legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen.
    »Wir kommen nicht raus«, sagte er. »Der Schleusenschacht lässt sich nicht ausfahren.«
    »Kleiner Konstruktionsfehler, wenn du mich fragst. Die einzige Schleuse an der Unterseite zu installieren.«
    »Kein Notausstieg?«
    »Doch. Der Frachtraum im Heck. Er kann vakuumiert und geflutet werden, im Prinzip also auch eine Schleuse. Die Heckklappe lässt sich absenken und zu einer Rampe verlängern – aber wie gesagt, die Ganymed ist kilometerweit durch den Regolith gepflügt und auf den letzten Metern in ein Felsmassiv gerasselt. Die Brocken liegen überall herum, so weit man sehen kann. Ich schätze, einige davon blockieren die Klappe. Sie lässt sich keinen halben Meter mehr öffnen.«
    Locatelli dachte darüber nach. Eigentlich lustig. Wirklich lustig.
    »Was wunderst du dich?«, lachte er heiser. »Du sitzt im Gefängnis, Carl. Genau da, wo du hingehörst.«
    »Du aber auch.«
    »Na und? Macht es irgendeinen Unterschied, ob du mich hier oder draußen erledigst?«
    »Warren –«
    »Ist doch egal, Mann. Scheißegal! Willkommen im Knast.«
    »Hätte ich dich erledigen wollen, wärst du gar nicht erst wieder zu dir gekommen. Verstehst du? Ich habe nicht vor, dich zu erledigen.«
    Locatelli zögerte. Sein Lachen erstarb.
    »Meinst du das ernst?«
    »Im Augenblick stellst du keine Gefahr für mich dar. Ein zweites Mal wirst du mich nicht übertölpeln wie in der Schleuse. Du hast also die Wahl, dich querzustellen oder zu kooperieren.«
    »Und was«, sagte Locatelli gedehnt, »wären die Aussichten im Falle der Kooperation?«
    »Vorläufig dein Überleben.«
    »Vorläufig reicht aber nicht.«
    »Mehr hab ich nicht anzubieten. Oder sagen wir, wenn du mitspielst, droht dir zumindest von meiner Seite keine Gefahr. So viel kann ich dir versprechen.«
    Locatelli schwieg eine Sekunde.
    »Also gut. Lass

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