Limit
können wir nicht warten«, drängte O'Keefe.
»Dann –« Sie rang nach Luft, bemüht, den Panikanfall niederzukämpfen. »Wir könnten – wir haben zehn Grasshoppers in der Garage! Fast alle sind schon mal mit so einem Ding geflogen.«
»Ja, dicht über dem Boden«, sagte Lawrence. »Trauen Sie sich das zu? Mit einem Grasshopper mehr als 150 Meter aufzusteigen und eine Punktlandung auf der Terrasse hinzulegen?«
»Die Punktlandung ist kein Problem«, sagte Tim. »Aber die Höhe –«
»Technisch gesehen ist die Höhe das geringste Problem, theoretisch könnte man damit in den offenen Weltraum fliegen.« Lynn fuhr sich über die Augen. »Aber Dana hat recht. Ich traue es mir nicht zu. Nicht in meinem Zustand. Ich würde die Nerven verlieren.«
Es war das erste Mal, dass sie sich öffentlich eine solche Blöße gab. Nie zuvor hatte Tim sie so erlebt. Er wertete es als gutes Zeichen.
»Na schön«, sagte er. »Wie viele von den Dingern brauchen wir? Jeder Hopper fasst eine zusätzliche Person, also insgesamt drei, richtig? Drei Piloten. Ich sehe mich dafür aus. Walo?«
»Ich war noch nie so hoch damit, aber wenn Lynn meint, es geht –«
Tim rannte in die Lobby und klatschte in die Hände.
»Einen!«, rief er. »Wir brauchen einen für den dritten Hopper.«
»Ich«, sagte Heidrun, ohne zu wissen, worum es überhaupt ging.
»Bist du sicher? Du musst das Ding auf Gaias Kopf landen. Traust du dir das zu?«
»Grundsätzlich trau ich mir alles zu.«
»Keine Probleme mit Höhenangst?«
»Ob ich's hinkriege, steht auf einem anderen Blatt.«
»Nein, tut es nicht.« Tim schüttelte den Kopf. »Du musst es hinkriegen. Du musst jetzt wissen, ob du es packst, andernfalls –«
Sie stand auf und strich das weiße Haar hinter die Ohren.
»Kein andernfalls. Ich packe das.«
Alle Raumanzüge gab es in doppelter Ausfertigung, verborgen hinter einer Wand in der Lobby, sodass sie nicht über die Brücken hoch zu den Etagenspinden mussten. Gegenseitig halfen sie sich in die Panzerungen, stellten die Monturen für Rogaschowa, Winter und O'Keefe zusammen und verpackten sie in Boxen.
»Gibt's Probleme im Korridor?«, fragte Tim.
»Nein, die Sensoren melden konstante Werte.« Lynn ging ihnen voran, führte sie zu einem Durchgang abseits der Fahrstühle und öffnete ein großes Schott. Dahinter lag ein geräumiges Treppenhaus mit weit auseinanderliegenden Stufen.
»Über diesen Weg gelangt ihr nach unten. Ich werde die Garage von der Zentrale aus öffnen.«
Einen solchen Weg hättet ihr vielleicht auch nach oben bauen sollen, dachte Tim, verkniff sich aber die Bemerkung.
»Viel Glück«, sagte Lynn.
Tim zögerte. Dann schlang er beide Arme um seine Schwester und drückte sie an sich. »Ich weiß, was du durchmachst«, sagte er leise. »Ich bin unglaublich stolz auf dich. Keine Ahnung, wie du das aushältst.«
»Wüsste ich selber gern«, flüsterte sie.
»Alles wird gut«, sagte er.
»Was soll noch gut werden?« Sie wand sich aus seiner Umarmung und ergriff seine Hände. »Tim, du musst mir glauben, ich habe nichts mit Carl zu tun, egal was Dana sagt. Ich zerstöre mich nur selber.«
»Das ist alles nicht deine Schuld, Lynn. Du kannst nichts dafür!«
»Haut jetzt ab.« Ihre Mundwinkel zuckten. »Schnell!«
Dem leeren, kühl beleuchteten Korridor wohnte etwas Beruhigendes inne, geeignet, das Vertrauen in den technologischen Fortschritt wiederherzustellen und zu kräftigen. In seiner Nüchternheit schien er unkorrumpierbar durch leichtfertig herbeigeführte Katastrophen, doch Tim musste daran denken, dass hier gewissermaßen alles seinen Anfang genommen hatte, mit Carl Hanna, dessen Auftauchen Julians Misstrauen geweckt hatte. Er fragte sich, ob die Bombe hier unten versteckt lag. In den wenigen Stunden hatten sie nicht jeden Winkel absuchen können. Wie klein war eine Mini-Nuke? Ruhte sie unter dem Rollband, das sie entlangeilten? Unter einer der Bodenplatten? Hinter der Wand, in der Decke?
Sie hatten Sushma und Mukesh, Eva und Karla vorgeschlagen, mit dem Lunar Express zum Fuß der Montes Alpes zu fahren und dort, in sicherer Distanz, abzuwarten, bis sie die Eingeschlossenen entweder befreit hätten oder mit dem Hotel in die Luft geflogen wären, doch alle bestanden darauf, zu bleiben, selbst Sushma, die tapfer versuchte, ihre Angst niederzuringen. Um der angeschlagenen Moral auf die Sprünge zu helfen, hatte Lynn die Frauen schließlich auf die Suche nach Nina Hedegaard geschickt, sodass sie vorerst
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