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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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unmittelbar neben ihm. Tim schnappte nach Luft, streckte den Arm aus –
    Der Hopper löste sich.
    Hin und her schwingend hing er an Ögis Stiefel, griff in den Schienbeinschutz, umklammerte die Knie, kletterte an dem Schweizer hinauf wie auf einer Leiter und über das Geländer, half seinem Retter, wieder in Sicherheit zu gelangen. Vor ihren Augen, um geschätzte 45 Grad geneigt, wuchs der Boden der Terrasse in die Höhe, eine glatte Rutsche.
    Er hatte es geschafft.
    Doch alle drei Grasshoppers waren verloren.
     
    »Nein! Ich fliege rauf.«
    Lynn stieß sich vom Kontrollpult ab, knickte ein und klammerte sich an Nair. Entsetzt starrte der Inder auf die Monitorwand, die schrecklichen Bilder vor Augen, die Tims Helmkamera und die Außenkameras auf der gegenüberliegenden Schluchtseite übertrugen. Die Glasfaserverbindung zum Mama Killa Club war abgerissen, dafür empfingen sie die Stimmen der Eingeschlossenen nun über den Helmfunk.
    »Es hat aufgehört.« Winter, außer Atem. »Was machen wir jetzt?«
    »Olympiada?« O'Keefe.
    »Hier.« Rogaschowa, mitgenommen.
    »Wo?«
    »Hinter der Bar, ich – bin hinter der Bar.«
    »Mein Schatz?« Ögi, aufgelöst. »Um Gottes willen, wo –«
    »Weiß nicht.« Heidrun, Luft durch die Zähne ziehend. »Irgendwo. Schädel gestoßen.«
    »Alle raus!« Tim. »Ihr könnt da nicht bleiben. Versucht, ob die Schleuse funktioniert.«
    Lynns Schläfen pochten hypnotische Rhythmen. Farbige Nebel fanden sich zu Wirbeln. Mit ansehen zu müssen, wie sich Gaias Schädel unvermittelt neigte, sodass das Kinn nun fast auf der Brust ruhte, hatte ihr Herz zum Stillstand gebracht, jetzt hämmerte es umso heftiger. Gaia sah aus, als schlafe sie. Viel konnte es nicht mehr sein, was ihren Kopf noch auf den Schultern hielt.
    »Hier steht alles schräg«, sagte O'Keefe. »Wir sind durcheinandergepurzelt wie die Maikäfer, ich weiß nicht, ob wir überhaupt noch in die Schleuse reinkommen.«
    Kopf. Kopf. Kopf. Wie lange würde ihr Kopf sich noch auf den Schultern halten?
    »Wir kommen euch holen«, sagte sie. »Wir haben immer noch sieben Grasshoppers. Ich fliege.«
    »Ich auch«, sagte Nair.
    »Wir brauchen jemand Dritten. Schnell! Hol Karla, sie ist von uns allen noch am besten beieinander.«
    Nair hastete hinaus. Lynn folgte ihm, plünderte das Depot mit den Ersatzraumanzügen. Mehrere fehlten, darunter ihrer. Plötzlich fiel ihr ein, dass nicht alle Anzüge in der Lobby untergebracht waren. Sie lief zurück in die Zentrale und zu dem verschlossenen Schott in der Rückwand. Dahinter lag ein kleiner Raum für Redundanzen, Feuerlöscher, Anzüge, Equipment und Atemmasken. Sie wartete, bis die Stahltür zur Seite geglitten war, trat ein, verwundert, dass Licht brannte. Ihr Blick fiel auf die Spinde mit der Ausrüstung, auf gestapelte Boxen, auf die toten Gesichter der ordentlich aufgereihten Atemmasken in ihren Regalen, auf das tote Gesicht Sophie Thiels, die aufrecht an der Wand lehnte, die Augen geöffnet, das hübsche Antlitz zweigeteilt von einem Streifen angetrockneten Blutes, der einem Loch in ihrer Stirn entsprang –
    Lynn rührte sich nicht.
    Einige Atemzüge lang stand sie nur da und glotzte den Leichnam an. Seltsamerweise – dankenswerterweise, musste man sagen – löste er nichts in ihr aus. Rein gar nichts. Vielleicht war es einfach das Zuviel und Zuspät seines Erscheinens, die Aufdringlichkeit, mit der er inmitten eines Infernos Dante'scher Prägung sein bisschen Hinwendung beanspruchte, als hätten sie keine anderen Sorgen. Nach einigen Sekunden ignorierte sie Thiel und begann, die Boxen mit den Biosuits nach draußen zu tragen.
    »Hallo, Lynn.«
    Sie schaute auf, irritiert.
    Dana Lawrence stand in der Tür.
     
    Heidrun und O'Keefe hangelten sich, Olympiada stützend, ziehend und schiebend, an Tisch- und Stuhlbeinen hoch zur Luftschleuse. Entgegen ihrer Einschätzung war die Russin beim Absacken des Kopfes nicht hinter die Bar, sondern hinter die Kanzel des DJs gestürzt. Derweil hing Winter wie ein Affe an einer Stange seitlich der Luftschleuse und hatte die Hand auf das Sensorfeld gelegt, um sie offen zu halten.
    »Schafft ihr's? Soll ich helfen?«
    »Ich komme alleine da hoch«, stöhnte Rogaschowa voller Trotz.
    »Kommst du nicht«, sagte Heidrun. »Dein Bein ist lädiert, du kannst kaum auftreten.«
    Ein Problem, das sich aus der veränderten Raumlage ergab, war weniger die Neigung des Bodens als die der Schleuse. Die Vorderfront war Gaias gläsernem Gesicht zugewandt und zeigte

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