Limit
näherte sich von entgegengesetzter Seite. Seine Hand fuhr zum Oberschenkel, riss die Waffe mit den Explosivgeschossen aus dem Futteral.
»Ich wusste es!«, fluchte Rogaschow. »Ich wusste es!«
Er war auf den Sitz hinter Julian geklettert, als Hanna durch die Luft flog, hatte ihn aufschlagen und wieder hochkommen sehen. Der Kanadier förderte etwas Langes, Dünnes zutage, offenbar unschlüssig, auf welches der beiden Fahrzeuge er anlegen sollte. Die Sekunde des Zögerns wurde ihm zum Verhängnis. Omuras Rover erwischte ihn mit einem der mannshohen Räder an der Schulter. Er flog ein beachtliches Stück, landete auf der Seite und kullerte wieder auf die wandelnde Fabrik zu, die sich beängstigend schnell näherte, geradewegs den rotierenden Schaufeln entgegen.
»Genug, Momoka«, schrie Julian. »Lass uns das Schwein einsammeln.«
Doch die Japanerin litt unter plötzlicher Ertaubung. Noch während Hanna sich hochstemmte, sichtlich benommen, riss sie ein weiteres Mal das Steuer herum, zwang den Rover in eine viel zu kleine Kurve und verlor die Kontrolle. Diesmal ging alles schief. Das Gefährt hob ab, überschlug sich mehrmals hintereinander und pflügte durch aufspritzendes Gestein dem Käfer entgegen. Omura wurde herausgeschleudert, schlitterte mit abgespreizten Armen und Beinen durch den Dreck, wie eine Harpyie schreiend, warf sich herum, schnellte empor, augenscheinlich unverletzt, und stürzte sich auf Hanna. Entsetzt sah Amber den Rover mit den Rädern nach oben liegen bleiben, während sich eine Glocke aus Staub darauf niedersenkte. »Mein Gott, Evelyn«, stöhnte sie. »Evelyn!«
Chambers einziger Gedanke war, die Verstrebungen der Sitzbank zu umklammern, so fest wie möglich. Unfähig zu schreien, stellte sie sich das Gefährt wie einen Käfig vor, in dessen Innerem sie so lange Schutz finden würde, wie sie es schaffte, nicht loszulassen. Omura war verschwunden. Es gab kein Oben und kein Unten mehr, nur Stöße und Staub und noch mehr Stöße, die nach und nach das Chassis zertrümmerten, und dann ließ sie doch los, stürzte zu Boden und starrte auf ein eierndes Rad.
Der Rover war gestrandet, und sie lebte. Noch.
Umgehend versuchte sie, sich aus dem Wrack zu befreien, doch sie klemmte fest. Wo? Ihre Arme waren frei. Heftig schlug sie mit den Beinen, auch diese ließen sich bewegen, dennoch wollte sie der Schrotthaufen nicht hergeben, während der Boden erzitterte von etwas Kolossalem, das sich in den Regolith rammte, ganz in ihrer Nähe, und mit eisiger Klarheit begriff sie, was da auf sie zukam.
»Evelyn!« Amber. »Evelyn!«
»Eingeklemmt«, schrie sie. »Ich bin eingeklemmt!«
Wieder erzitterte der Boden.
Die Roboter reagieren nur aufeinander, in ihrem Innenbild sind wir nicht vorhanden.
Sie musste raus hier. Nichts wie raus, so schnell es nur ging!
Wie wild begann sie an dem Gestänge zu zerren, in Todesangst, doch es war, als sei sie angewachsen, am Rücken mit dem Rover verschmolzen, und sie begann zu heulen wie ein Wolf in der Falle, weil sie begriff, dass sie nun sterben würde.
Julian brachte den Rover unmittelbar neben dem Wrack zum Stehen. Was immer Hanna und Omura trieben, kümmerte ihn gerade nicht im Mindesten. Die beiden waren zur anderen Seite der Fördermaschine hin verschwunden, weg von den gefräßigen Schaufeln.
Sie mussten Evelyn da rausholen.
Rogaschow und Amber sprangen von ihren Sitzen, hasteten zu dem zertrümmerten Fahrzeug. Chambers reckte ihnen die Arme entgegen. Unschwer war zu erkennen, dass sich ihr Rucksack im grotesk verbogenen Gestänge verkeilt hatte und bedenklich festsaß. Julian riskierte einen sorgenvollen Blick in die Höhe. Der kolossale Leib der Maschine schob sich unerbittlich heran, verdunkelte den Himmel, tauchte Ebene, Menschen und Fahrzeuge in seinen schluchtartigen Schatten. Schemenhaft waren die Verstrebungen von Panzerplatten zu erkennen, Nieten, Nähte und Bolzen, das Trichinenwerk der Rohrleitungen. Die abgeplattete Schädelwölbung mit den Fresswerkzeugen, Sieben und Förderbändern schwenkte bedächtig hin und her, als nehme das Ding Witterung auf. Konisch geformten Hüftgelenken entsprangen abgewinkelte Beine, jedes an die zehn Meter hoch, mehrgelenkig und dick wie Ausleger eines Baukrans.
Der verunglückte Rover lag direkt im Weg.
Und soeben, mehr ahn- als sichtbar, begann sich das zuvorderst liegende Bein träge zu heben.
Hanna rang um Orientierung.
Er hatte sich den Hinterkopf an der Innenverschalung seines Helms
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