Limit
vorgedrungen ist. Wahrnehmung ist etwas sehr Subjektives.«
»Ja, sicher.« Der Engländer nickte. »Nur, sehen Sie, Kommandant, mir ist das schnuppe. Weder verantworte ich die hiesige Förderung noch Washingtons Territorialvorstellungen. Ich habe einen Fahrstuhl gebaut, eine Raumstation und ein Hotel.«
»Ihre Aufzählung ermangelt der Vollständigkeit, wenn ich das sagen darf. Sie sind Nutznießer der Förderung, weil in der Lage, Reaktoren herzustellen.«
»Dennoch Privatmann.«
»Die Technologien von NASA und Orley Enterprises wären ohne einander nicht denkbar. In chinesischen Augen sind Sie damit mehr als nur ein Privatmann.«
Orley lächelte. »Und warum weist mich Zheng Pang-Wang dann regelmäßig darauf hin, ich sei einer?«
»Vielleicht, um Sie Ihrer Entscheidungsautonomie zu versichern?« Jia lächelte zurück. »Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich maße mir nicht an, den ehrenwerten Zheng infrage zu stellen, aber er ist ebenso wenig Privatmann, wie Sie es sind. Sie beeinflussen die Weltpolitik stärker als mancher Politiker. Noch Tee?«
»Gerne.«
»Sehen Sie, mir ist daran gelegen, dass Sie meine Situation verstehen, Herr Orley –«
»Julian.«
Jia schwieg eine Sekunde, unangenehm berührt, schenkte nach. Noch nie hatte er verstanden, was Engländer und Amerikaner dazu trieb, einem bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Vornamen aufzunötigen.
»Die Erweiterung der Abkommen vom November 2024 sieht vor, dass wir uns auf dem Mond gegenseitig helfen«, sagte er. »Wir sind Taikonauten, Sie Astronauten, insgesamt also Vertreter der menschlichen Rasse. Wir sollten einander beistehen. Ich persönlich würde Ihnen sofort unseren Shuttle zur Verfügung stellen, wie Sie es wünschen, doch alleine der Umstand, dass Sie es sind, hat eine zutiefst politische Dimension. Obendrein könnten Atomwaffen im Spiel sein.«
»Es wäre nicht das erste Mal, dass Chinesen uns in dieser Sache helfen. Sonst wüssten wir wahrscheinlich gar nichts von diesen Waffen und würden fröhlich mit Hanna um die Mondhäuser ziehen, bis es knallt.«
»Hm, ja –«
»Andererseits –«, Orley legte die Fingerspitzen aufeinander, »– will ich mit offenen Karten spielen. Die Leute, die uns gewarnt haben, schließen eine Beteiligung Chinas an dem geplanten Anschlag nicht aus –«
»Unsinn!«, ließ sich Jia hinreißen. »Welches Interesse sollte mein Land haben, Ihr Hotel zu zerstören?«
»Sie finden das abwegig?«
»Völlig abwegig!«
Julian betrachtete sein Gegenüber. Jia war ein angenehmer Typ, doch er arbeitete für den Konzern Großpeking. Falls das Komplott gegen Orley Enterprises tatsächlich von chinesischem Boden ausging, mochte Jia eine Rolle darin spielen. In diesem Fall sprach er mit seinem Feind, was Offenheit umso mehr rechtfertigte, als er dem Mann klarmachen musste, dass seine Hintermänner kurz davorstanden aufzufliegen und es sich vielleicht empfahl, die Sache abzublasen. Irrten sich Jericho und seine Freunde, war jede Karte, die er offen ausspielte, ein Investment in Jias Vertrauen. Er beugte sich vor.
»Die Bombe wurde 2024 hochgeschossen«, sagte er.
»Ja, und?«
»Da hatten wir besagte Krise.«
»Wir haben alles zur Herbeiführung einer friedlichen Lösung unternommen.«
»Unbestreitbar bleibt, dass Peking damals nicht gut auf Washington zu sprechen war. In diesem Zusammenhang könnte es Sie interessieren, dass die Bombe aus koreanischen Schwarzmarktbeständen stammte und von Chinesen eingekauft wurde.«
Jia starrte ihn verwirrt an. Dann wischte er sich über die Augen, als sei er in ein Spinnennetz gelaufen.
»Wir sind eine Nuklearmacht«, sagte er. »Warum sollte die Partei Kernwaffen auf dem Schwarzmarkt einkaufen?«
»Ich habe nicht gesagt, dass der Einkauf durch die Partei erfolgte.«
»Hm. Weiter.«
»Bemerkenswert ist auch, dass die Bombe zwar von afrikanischem Boden zum Mond gelangte, der damalige Machthaber Äquatorialguineas allerdings eine Marionette war, und zwar von Ihrer Regierung an die Macht geputscht. Soweit ich es verstehe, stammte die Technologie für das äquatorialguineische Raumfahrtprogramm aus dem Hause Zheng –«
»Moment!«, fuhr Jia auf. »Was reden Sie da? Zheng soll Ihr Hotel mit einer Atombombe zerstören wollen?«
»Überzeugen Sie mich vom Gegenteil.«
»Warum sollte er das tun?«
»Keine Ahnung. Weil wir Konkurrenten sind?«
»Das sind Sie nicht! Sie wetteifern nicht um dieselben Märkte. Sie wetteifern um Know-how. Da spioniert, besticht,
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