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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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argumentiert man, versucht, Allianzen zu schmieden, aber man geht einander nicht mit Atomwaffen an den Kragen.«
    »Die Bandagen sind härter geworden.«
    »Aber mit so einem Anschlag hätte Zheng, hätte mein Land nichts gewonnen! Was würde die Zerstörung Ihres Hotels, selbst wenn Sie persönlich dabei ums Leben kämen, an den herrschenden Zuständen ändern?«
    »Ja, eben. Was?«
    Eine geraume Weile sagte Jia überhaupt nichts mehr, sondern massierte nur seine Nasenwurzel und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, stand wie gedruckt eine Frage darin zu lesen.
    »Nein«, antwortete Julian.
    »Nein?«
    »Mein Besuch ist nicht Teil eines Täuschungsmanövers, irgendeines Plans oder einer Operation, werter Jia. Schon gar nicht will ich Sie und Ihr Land beleidigen. Ich hätte Ihnen manches verschweigen können, um Ihre Entscheidung zu beeinflussen.«
    »Und was erwarten Sie, das ich jetzt tun soll?«
    »Ich kann Ihnen sagen, was ich brauche.«
    »Sie wollen, dass ich Sie und Ihre Freunde mit unserem Shuttle zurück ins Hotel bringe?«
    »So schnell es geht! Meine Tochter und mein Sohn sind im Gaia, außerdem Gäste und Personal. Wir haben Anlass zu der Befürchtung, dass Hanna auf Umwegen dorthin zurückkehren wird. – Außerdem benötige ich Ihre Satelliten.«
    »Meine Satelliten?«
    »Ja. Hatten Sie in den vergangenen Stunden Probleme damit?«
    »Nicht, dass ich wüsste.«
    »Unsere sind ausgefallen, wie ich eingangs erzählt habe. Ihre scheinen zu funktionieren. Ich brauche zwei Schaltungen. Eine in meine Londoner Konzernzentrale, eine weitere ins Gaia.« Julian machte eine Pause. »Ich habe Ihnen jedes erdenkliche Vertrauen entgegengebracht, Herr Kommandant, auch unter der Gefahr, dass Sie meine Bitte abschlägig bescheiden. Mehr kann ich nicht tun. Alles Weitere liegt bei Ihnen.«
    Wieder schwieg der Taikonaut eine Weile.
    »Sie stünden natürlich in chinesischer Schuld«, sagte er gedehnt, »wenn ich Ihnen helfen würde.«
    »Natürlich.«
    Jias Kopf hätte aus Glas sein können, so genau sah Julian, was darin vonstattenging. Soeben fragte sich der Kommandant voller Beunruhigung, ob sein Besucher recht und seine Regierung irgendeine Schweinerei angezettelt hatte, von der er nichts wusste. Und ob es den Tatbestand des Landesverrats erfüllte, wenn er dem Mann, der den Vorsprung Amerikas verantwortete, ohne Rückversicherung half.
    Julian räusperte sich.
    »Vielleicht sollten Sie aber auch in Erwägung ziehen, dass jemand versucht, Ihr Land vorzuschieben«, sagte er. »Ich an Ihrer Stelle würde mir das nicht gefallen lassen.«
    Jia sah ihn unter gefurchten Brauen an. »Psychologie, Grundkurs.«
    »Na ja.« Julian zuckte die Achseln und lächelte. »Ein bisschen.«
    »Gehen sie rüber zu Ihren Freunden«, sagte Jia. »Warten Sie.«
     
    Chambers konnte den Endlosfilm nicht anhalten. Immer wieder sah sie den Fuß des Käfers auf sich herabfahren, und plötzlich begann sie epilepsieartig zu zittern. Wie ein geworfener Lappen rutschte sie an der Wand des Wohnmoduls herab, in dem man sie, Amber und Oleg untergebracht hatte. In der Station war es eng, entsetzlich eng, ganz anders als in den amerikanischen Habitaten. Na Mou, die Taikonautin, versorgte sie mit Tee und scharfem, nach Krabben schmeckendem Gebäck. Während Julian den Kommandanten bearbeitete, hatte Chambers der Chinesin, die möglicherweise besser Englisch verstand als sprach, von den Begebenheiten der letzten Stunden erzählt und sich dabei so sehr vor ihrem eigenen Bericht gegruselt, dass es ihr jetzt die Sprache verschlug.
    »Legen hin«, sagte Na freundlich. Sie war eine mongolisch anmutende Frau mit breiten Wangenknochen und stark geschlitzten Augen, der etwas eigenartig Vergangenes anhaftete, etwas von organisiertem Jubel und Kombinat.
    »Es vollzieht sich unentwegt«, flüsterte Chambers. »Unentwegt.«
    »Ja. Beine hoch.«
    »Ob ich die Augen schließe, ob ich sie aufmache, es hört nicht auf.« Sie packte Nas Handgelenk, fühlte eiskalten Schweiß auf Oberlippe und Stirn treten. »In jeder Sekunde werde ich totgetreten. Von einem Käfer! Ist das nicht verrückt? Menschen treten doch Käfer tot, nicht umgekehrt. Aber ich werde das nicht los.«
    »Doch, das wirst du.« Amber entwand sich der Neugier Zhou Jinpings, des dritten Besatzungsmitglieds, und setzte sich neben ihr auf den Boden. »Du hast einen Schock, das ist alles.«
    »Nein, ich –«
    »Das ist okay, Evy. Ich bin auch kurz davor umzukippen.«
    »Nein, da war noch was.«

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