Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
entschuldigend und rülpste vernehmlich. »Essen und Beischlaf sind die beiden großen Begierden des Mannes –«
    »Sagt wer?«, murmelte Jericho.
    »Na, Konfuzius, und er meint damit, dass wir ordentlich essen sollen, um unsere Frauen zu schützen. Ich habe also einiges nachzuholen.« Paranüsse mischten sich mit Gummibärchen. »Und sollte ich das Schwein je in die Finger bekommen –«
    »Wirst du nicht.«
    Tu schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Wir sind so weit gekommen, xiongdi. Glaubst du im Ernst, ich gebe klein bei und lasse das Ungeheuer laufen? Denk daran, was er mit Yoyos Freunden gemacht hat, mit Hongbing. Wie er ihn gequält hat!«
    »Nicht so laut.« Jericho warf einen Blick zur halb geschlossenen Schlafzimmertür. »Dein Zorn in allen Ehren, aber vielleicht solltest du dich in Dankbarkeit fügen, nicht tot zu sein.«
    »Gut, ich bin dankbar. Und weiter?«
    »Nichts weiter.« Jericho breitete die Hände aus und rollte die Augen. »Leben. Weiterleben.«
    »Diese Einstellung passt nicht zu dir«, sagte Tu tadelnd. »Das Wesen des Holzwurms ist es nicht, sich mit Betrachtungen über die Maserung zu begnügen.«
    »Danke für den Vergleich.«
    »Wofür haben wir das alles denn auf uns genommen?«, zischte Tu. »Damit die Lumpen davonkommen?«
    »Jetzt pass mal auf.« Jericho stellte seinen Teebecher ab und beugte sich vor. »Du magst ja recht haben, und nächste Woche sehe ich alles ganz anders, aber wohin hat es uns schlussendlich geführt, das endlos expandierende Werk unserer Ermittlungen, all die Killer, Söldnerheere und Geheimdienste, Umstürze in Westafrika, das Machtstreben von Regierungen und Konzernen, heute ausgetragen in Äquatorialguinea, morgen auf dem Mond und übermorgen auf der Venus, kollabierende Ölkonzerne, koreanische Atombomben, Mondhotels und schurkische Astronauten, Attentate auf Ölmanager, die Auslöschung von Greenwatch, China- und CIA-Theorie, neunköpfige Schlangenmonster? Na? Zu einem brütend heißen Tag zwischen unausgepackten Möbelstücken und einem traurigen Mann in Sorge um seine verschwundene Tochter, der mir geholfen hat, zwei Sessel von Noppenfolie zu befreien, damit wir etwas hatten, worauf wir sitzen konnten. Offen gestanden, Xin und seine Hydra gehen mir gerade am Arsch vorbei. Ich weiß beim besten Willen nicht mehr, was wir eigentlich mit Orley Enterprises zu schaffen haben. Da drüben liegt ein Mädchen, und dass sie atmet und wir kein Tuch über sie breiten müssen, ist mir näher als alle Weltverschwörungen zusammen, es sieht nämlich danach aus, als wären wir raus aus der Nummer, wie immer sie sich vollziehen mag. Wir haben die Drecksbande in die Enge getrieben, Tian, so sehr, dass sie keinen Sinn mehr darin sehen, uns zu töten. Die Geschichte verschwindet in sich selbst. Sie beginnt und endet auf dem Tomson-Shanghai-Pudong Golfplatz, wo du mich gebeten hast, deinem Freund seine Tochter zurückzubringen, lebend und in einem Stück. Hab ich gemacht. Danke, bitte.«
    Tu betrachtete ihn sinnend, eine Handvoll Nüsse in der Schwebe.
    »Ich bin dir sehr dank –«
    »Nein, du hast mich nicht verstanden.« Jericho schüttelte den Kopf. »Wir sind uns alle sehr dankbar, aber jetzt fliegen wir schön nach Hause, du kümmerst dich um dein Joint Venture mit DAO IT, Yoyo geht studieren, Hongbing verkauft den Silver Shadow, von dem er mir erzählt hat, und freut sich seiner Provision, und ich wische Xins Fingerabdrücke von meinen Möbeln und versuche mich in irgendeine Frau zu verlieben, die nicht Diane oder Joanna heißt. Und es wird wunderbar sein, diese Dinge tun zu können! Ein stinknormales Leben zu führen. Wir wachen auf aus diesem beschissenen Traum, reiben uns die Augen, und Schluss, denn das hier ist nicht unser Leben, Tian! Das sind die Probleme anderer.«
    Tu kratzte seinen Bauch. Jericho sank zurück in die Geborgenheit des Sofas und wünschte, glauben zu können, was er gesagt hatte.
    »Ein stinknormales Leben«, echote Tu.
    »Ja, Tian«, sagte er. »Stinknormal. Und wenn ich mir als dein Freund erlauben darf, das hinzuzufügen: Redet mit Yoyo. Reden hilft.«
    Unhöflich einem Chinesen gegenüber, auch einem befreundeten. Aber vielleicht, nach zwei Tagen wie diesen – wie viel näher konnte man sich kommen, ohne Nähe zuzulassen? Er schaute hinaus auf das erwachende London und fragte sich, ob er Shanghai verlassen und hierher zurückkehren sollte. Eigentlich war es ihm egal.
    »Entschuldige«, seufzte er. »Ich weiß, es geht mich nichts

Weitere Kostenlose Bücher