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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Patrice Ho, Jerichos hochrangiger Polizistenfreund aus Shanghai, hatte angerufen, um seine Beförderung und seinen damit verbundenen Umzug nach Peking bekannt zu geben.
    »Ich weiß natürlich, dass die Stoßrichtung deiner Ermittlungen meiner Karriere sehr förderlich war«, sagte er. »Solltest du also eine Idee haben, wie ich dir deine Hilfe vergelten kann –«
    »Betrachten wir es als Guthaben«, sagte Jericho.
    »Hm.« Ho machte eine Pause. »Vielleicht sehe ich ja eine Möglichkeit, dein Guthaben noch zu vergrößern.«
    »Aha.«
    »Wie du weißt, waren auch unsere Ermittlungen in Lanzhou von Erfolg gekrönt. Wir konnten ein Nest Pädophiler ausnehmen, und dabei stießen wir auf Hinweise, die vermuten lassen –«
    »Augenblick! Ich soll weiter in der Pädophilenszene rumstöbern?«
    »Deine Erfahrung könnte uns sehr von Nutzen sein. Peking setzt überaus große Hoffnungen in mich. Nach dem Doppelerfolg in Shenzhen und Lanzhou könnte es zu Irritationen führen, wenn die Siegesserie plötzlich abrisse –«
    »Verstehe«, seufzte Jericho. »Auf die Gefahr hin, mein Guthaben zu verspielen, aber ich habe beschlossen, solche Aufträge nicht mehr anzunehmen. Vor wenigen Tagen bin ich in eine größere Wohnung gezogen, und sie ist jetzt schon wieder zu klein für all die Gespenster, die bei mir zur Untermiete wohnen.«
    »Du sollst ja nicht an die Front«, beeilte sich Ho zu versichern.
    »Du weißt, dass man immer an der Front landet.«
    »Natürlich. Verzeih, wenn ich dich unter Druck gesetzt haben sollte.«
    »Hast du nicht. Darf ich darüber nachdenken?«
    »Aber selbstverständlich! Wann gehen wir mal ein Bier trinken?«
    »Wie wär's kommende Woche?«
    »Wunderbar.«
    Gar nichts war wunderbar. Der Teppich und die Stehleuchte verstanden sich nämlich ausgezeichnet. Der Punkt war, dass beide keine Harmonie zu ihm herstellen wollten. Zu nichts wollte sich Harmonie einstellen, und schon gar keine Normalität. Wie zur Bestätigung zürnte Julian Orleys Gesicht überlebensgroß auf der Holowand, vor freiem Himmel und umringt von Leuten. Er sagte etwas und bahnte sich seinen Weg durch die Menge, gefolgt von dem Schauspieler Finn O'Keefe und einer aufregend fremdartig anmutenden Frau mit schneeweißen Haaren. Offenbar war die Reisegruppe zur Erde zurückgekehrt. Jericho stellte den Ton lauter und hörte den Kommentator sagen:
    »– erfolgte die Explosion der zweiten Mini-Nuke um neun Uhr mitteleuropäischer Zeit in 45.000 Kilometer Entfernung zur OSS, zu deren Zerstörung sie offenbar gedacht war. Inzwischen werden Befürchtungen laut, die Serie nuklearer Anschläge könne sich weiter fortsetzen. Julian Orley, der Quito in diesen Minuten schon wieder verlassen will, verweigerte bislang –«
    Jericho stutzte und stellte den Ton lauter, doch das Wichtigste schien er verpasst zu haben. Ein Newsticker am unteren Bildrand transportierte die Nachricht von einem versuchten Nuklearanschlag auf die OSS, und dass die Zahl der Opfer im Dunkeln liege. Jericho zappte sich durch die Kanäle. Offenbar war im Shuttle, das die Überlebenden vom Krater Peary zur Raumstation gebracht hatte, eine zweite Atombombe versteckt gewesen, rechtzeitig entdeckt worden und in beträchtlicher Entfernung zur OSS detoniert. Orley selbst sagte, dass er nicht beabsichtige, überhaupt etwas zu sagen. Er kam Jericho um Jahre gealtert vor.
    »Hast du das mitgekriegt?« Yoyo rief an. »Das mit der zweiten Bombe?«
    Er schaltete von CNN auf einen chinesischen Nachrichtensender, der jedoch eine Hochschulreform thematisierte. Ein anderer mühte sich, neue uigurische Aufstände in Xinjiang runterzureden.
    »Unverständlich«, sagte er. »Vogelaar hat in seinem Dossier keine zweite Bombe erwähnt.«
    »Dann hat er eben nur von einer gewusst.«
    »Wahrscheinlich.« Die BBC widmete dem Vorfall eine Sondersendung. »Gottlob nicht mehr unsere Sache.«
    »Ja, du hast recht. Oh Mann, bin ich froh, dass wir da raus sind! Dass sie uns in Ruhe lassen. – Andererseits, ich meine, das ist schon der Hammer, oder? Das ist wirklich der Hammer!«
    Jericho starrte auf das rote Band des Newstickers.
    »Mhm«, machte er. »Sonst alles klar bei dir?«
    »Ganz okay.« Sie zögerte. »Tut mir übrigens leid, dass ich mich noch nicht gemeldet habe, aber es passiert so viel im Augenblick, ich – versuche halt, wieder Tritt zu fassen. Alles nicht so einfach. Es stehen Beerdigungen von Freunden an, Daxiong gibt den Helden, und mein Vater – also, wir hatten ein längeres

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