Limit
über Umweltzerstörungen durch Ölkonzerne die Rede gewesen war. Keowas Ehrgeiz, den Anschlag von Calgary aufzuklären, hatte den Fokus schließlich auf jenen Film gelenkt, der Gerald Palsteins mutmaßlichen Attentäter zeigte. So schnell allerdings, wie diese Bilder in Umlauf geraten waren, konnte das Massaker kaum erfolgt sein, um ihre weitere Verbreitung einzudämmen.
Er ließ Diane die Filmsequenz noch einmal abspielen. Gegen Ende, als die Kamera auf die Bühne schwenkte, sah man, dass der Platz voller Menschen mit Handys und umstanden von Fernsehteams war. Ein Wunder eigentlich, dass Xin in seinem Fatsuit nicht öfter aufs Bild geraten war, jedenfalls hatte Hydra damit rechnen müssen und es wohl billigend in Kauf genommen, aber vielleicht lag hier schon der erste Denkfehler.
Vielleicht hatten sie ja darauf gesetzt !
Je länger Jericho über die Sequenz nachdachte, desto mehr schienen ihm Xins bizarre Verkleidung und sein behäbiges Daherschleichen Teil einer Inszenierung zu sein mit dem Ziel, den Ermittlern einen asiatischen Attentäter zu präsentieren für den Fall, dass er abgelichtet wurde – so wie auch Zhengs augenfällige Präsenz in Äquatorialguinea eine regelrechte Elefantenspur ins Reich der Mitte gelegt hatte. Man erblickte Lars Gudmundsson beim doppelten Spiel, Palstein überlebte dank glücklicher Fügung, musste den Weg für Carl Hanna frei machen, Loreena Keowa kam dahinter, was zehn Menschen ihr Leben kostete und Greenwatch das Gedächtnis.
Ergab das Sinn? Nicht richtig.
Außer sie hatten bei Greenwatch Dinge herausgefunden, die Hydra wirklich in Bedrängnis brachten!
Keowa war aus Calgary angereist. Möglicherweise im Besitz brisanten Wissens. Hatte sich umgehend zur Redaktionskonferenz begeben, eine Zusammenkunft, die Hydra im letzten Moment hatte verhindern können, wodurch die Verschwörer allerdings immer noch nicht wussten, wie viel der unliebsamen Recherche schon auf den Festplatten des Senders lagerte, denn Keowa konnte im Vorfeld – E-Mails verschickt haben!
Das war es.
Jericho stürzte sich in die Arbeit. Während es in Shanghai auf Mitternacht zuging, stand auf der anderen Pazifikseite die Morgensonne am Himmel. Er ließ Diane eine Liste aller infrage kommender Web-Provider erstellen und begann sie der Reihe nach durchzutelefonieren, immer unter demselben Vorwand: er rufe im Auftrag Loreena Keowas an, unter ihrer Web-Adresse ließen sich keine E-Mails mehr empfangen und abschicken, und man möge doch bitte so freundlich sein, mal nachzuschauen, warum das nicht klappe. Elfmal bekam er zur Antwort, eine Loreena Keowa sei als Kundin nicht gespeichert, drei der Gesprächspartner kannten Keowa aus dem Netz, hatten von ihrem Tod erfahren und gaben ihrer Bestürzung Ausdruck, wofür Jericho mit Grabesstimme dankte. Erst beim zwölften Anbieter hatte er Glück. Man bat ihn um Autorisierung per Passwort, was bedeutete, dass sie dort angemeldet war. Jericho versprach, zurückzurufen. Dann hackte er sich ins System des Web-Providers und ließ Diane Keowas Passwort decodieren. Der Datenfluss jedes Verbindungsaufbaus war mitgeschnitten worden, sodass er binnen weniger Minuten Aufschluss über Keowas Mail-Provider erhielt. Dort rief er an, autorisierte sich und fragte, ob die in den letzten vierzehn Tagen versandten E-Mails noch im System gespeichert seien. Man speichere sie bis zu sechs Wochen, wurde ihm mitgeteilt, und welche er denn zur Ansicht wünsche.
Alle, sagte er.
Eine halbe Stunde später hatte er etliche Dokumente über Umweltskandale gesichtet, die unter dem Titel Das Erbe der Ungeheuer den Kern jener dreiteiligen Sendereihe hatten bilden sollen, von der in den vergangenen Tagen mehrfach die Rede gewesen war. Eine Menge Namen wurden darin genannt, doch keine Sekunde glaubte Jericho an einen Zusammenhang. Das Massaker war als Reaktion auf die zuletzt verschickte E-Mail erfolgt. Sie barg die Antwort auf alle Fragen.
Die Identität der Hydra.
Gerald Palstein
Leiter Strategisches Management EMCO (USA), Opfer eines Attentats in Calgary am 21.4.2025, wahrscheinliches Ziel, ihn am Flug zum Mond zu hindern (Fakten über Palstein liegen vor).
Attentäter Asiate, möglicherweise Chinese.
(Chinesische Interessen bei EMCO? Ölsandgeschäft ?)
Alejandro Ruiz
Strategischer Leiter (seit Juli 2022) von Repsol YPF (spanisch-argentinisch), Spitzname Ruiz El Verde, verheiratet, zwei Kinder, geordneter Lebenswandel, schuldenfrei.
2022 in Lima während einer Inspektionsreise
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