Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
wieder mit. Die Chinesen lieben es. Hochwassertaugliche Siedlungen an der Nordsee, Sie wissen ja, Holland gerät unter Wasser, und sollen die alle nach Belgien ziehen? Die Häuser liegen an Stegen und schwimmen obenauf, wenn das Wasser steigt.«
    »Er baut auch ein zweites Monaco«, sagte Chambers.
    »Wozu braucht man ein zweites Monaco?«, fragte Tim.
    »Weil das erste aus allen Nähten platzt«, belehrte ihn Ögi. »Die Monegassen stapeln sich die Alpen hoch, also haben Albert und ich in unserem Jules Verne geblättert. Schon mal von der Propellerinsel gehört?«
    »Ist das nicht die Geschichte von dem verrückten Kapitän in diesem komischen Unterseeboot?«, fragte Donoghue.
    »Nein, nein!« Einer der Franzosen wehrte ab. »Das war die Nautilus! Kapitän Nemo.«
    »Quatsch! Das hab ich gesehen. Das ist von Walt Disney.«
    »Nein, nein! Nicht Walt Disney! Mon dieu!«
    »Die Propellerinsel ist ein mobiler Stadtstaat«, erklärte Ögi dem Literatur fleddernden Donoghue. »Eine schwimmende Insel. Man kann Monaco nicht endlos erweitern, auch nicht mit vorgelagerten Inseln, also kamen wir auf die Idee, ein zweites zu bauen, das durch die Südsee kreuzt.«
    »Ein zweites Monaco?« Haskin kratzte sich den Schädel. »Also ein Schiff?«
    »Kein Schiff. Eine Insel. Mit Bergen drauf und Küsten, einer putzigen Hauptstadt und einem Weinkeller für den alten Ernst August. Nur halt künstlich.«
    »Und das geht?«
    »Ausgerechnet Sie fragen mich das?« Ögi lachte und breitete die Arme aus, als wolle er die OSS an sein Herz drücken. »Wo ist das Problem?«
    »Es gibt keines«, lachte Lynn. »Oder sehen wir aus, als hätten wir Probleme?«
    Ihr Blick ruhte auf Tim. Merkte er eigentlich, was mit ihr los war? Seine schwanzwedelnde Besorgnis nervte, rührte und beschämte sie in gleichem Maße, da er allen Grund dazu hatte, besorgt zu sein seit jenem Tag, jenem schrecklichen Moment vor fünf Jahren, der ihr Leben verändern sollte, kurz vor 18.00 Uhr, und Lynn
     
    mitten im Verkehrsstau, zehn Spuren tuckerndes, pumpendes, aufgeheiztes Blech, das sich mit der Langsamkeit eines Gletschers die M25 nach Heathrow entlangschiebt, unter einer trostlosen, kalten Februarsonne, die aus einem gelblich verhangenen Tschernobylhimmel herabglimmt, und plötzlich passiert es. Sie muss zu einer Besprechung nach Paris, sie muss immer zu irgendeiner Besprechung, aber ganz unvermittelt knipst jemand das Licht in ihrem Kopf aus, einfach so, und alles versinkt in einem Morast der Hoffnungslosigkeit. Abgrundtiefe Trauer überkommt sie, gefolgt von 10.000 Volt reiner Panik. Später kann sie nicht sagen, wie sie es bis zum Flughafen geschafft hat, doch sie fliegt nicht, hockt einfach nur im Terminal, aller Gewissheiten beraubt bis auf die eine, dass sie den Umstand ihrer Existenz keine Sekunde länger ertragen wird, weil sie mit so viel Traurigkeit und Angst nicht weiterleben möchte. Ab da setzt ihre Erinnerung aus bis zum Morgen, als sie sich angezogen auf dem Boden ihrer Penthousewohnung in Notting Hill wiederfindet, Mailbox, E-Mail und Anrufbeantworter überquellend von anderer Leute Aufregung. Sie geht hinaus auf die Terrasse, in den diagonalen, eisigen Regen, der zu fallen begonnen hat, und überlegt, ob die zwölf Stockwerke reichen werden. Dann entscheidet sie sich anders und ruft Tim an, was den Passanten einiges erspart.
    Fortan, wann immer das Thema auf ihre Erkrankung kommt, bemüht Julian irgendwelche ominösen Viren und verschleppten Erkältungen, um sich und anderen plausibel zu machen, was seiner Lichtgestalt von Tochter so fürchterlich zusetzt, dass Tim unentwegt die Worte Therapie und Psychiater im Munde führt. Ihr Zustand ist ihm schleierhaft, und was er tief im Innern ahnen mag, verdrängt er, so wie er Crystals Tod verdrängt hat. Zehn Jahre ist es her, dass Lynns und Tims Mutter in geistiger Umnachtung gestorben ist, doch Julian entwickelt ein bemerkenswertes Negierungsvermögen. Nicht, weil er traumatisiert wäre, sondern weil er tatsächlich unfähig ist, das eine mit dem anderen in Zusammenhang zu bringen.
    Es sind Tim und Amber, die sie auffangen. Als sie nichts als nacktes Entsetzen empfindet über den Verlust jeder Empfindung, läuft Tim mit ihr um den Block, bei Sonne und im strömenden Regen, stundenlang, zwingt ihren Geist zurück in die Präsenz, bis sie wieder fähig ist, wenigstens Kälte und Nässe zu spüren und den metallischen Geschmack ihrer Angst auf der Zunge. Als sie glaubt, nie wieder schlafen zu können und

Weitere Kostenlose Bücher