Limit
sind.«
Locatelli blähte die Nasenflügel. Aufgeregtheit war sichtlich unter seiner Würde. Stattdessen hielt er seine eigens angeschaffte, vakuumtaugliche Kamera in die Höhe und schoss ein Foto. Hedegaard quittierte die Antworten und Reaktionen mit vergnügten Grübchen.
»Ein bisschen aufgeregt sollten Sie schon sein, denn Extravehicular activities gehören mit zum Anspruchsvollsten, was die bemannte Raumfahrt kennt. Immerhin begeben Sie sich ins Vakuum, außerdem werden Sie extremen Temperaturschwankungen ausgesetzt sein.«
»Ach«, wunderte sich Parker. »Ich dachte immer, im Weltraum sei es einfach nur kalt.«
»Rein physikalisch betrachtet herrscht im All überhaupt keine Temperatur. Was wir als Temperatur bezeichnen, ist das Maß der Energie, mit der sich die Moleküle eines Körpers, einer Flüssigkeit oder eines Gases bewegen. Kleines Beispiel: In kochendem Wasser rasen sie umher, in Eis sind sie beinahe bewegungslos, also erleben wir das eine als heiß und das andere als kalt. Im leeren Raum hingegen –«
»Ja ja«, murmelte Locatelli ungeduldig.
»– finden sich so gut wie gar keine Moleküle. Gibt's also auch nichts zu messen. Theoretisch landen wir so bei 0° auf der Kelvin-Skala, was -273° Celsius entspricht, dem absoluten Nullpunkt. Allerdings registrieren wir die sogenannte kosmische Hintergrundstrahlung, eine Art Nachglühen aus der Zeit des Urknalls, als das Universum noch unvorstellbar dicht und heiß war. Sie beträgt knapp 3°. Macht die Sache nicht eben wärmer. Trotzdem können Sie draußen verbrennen oder erfrieren, je nachdem.«
»Das wissen wir doch alles schon«, drängte Locatelli. »Mich interessiert eher, woher –«
»Also, ich weiß es nicht.« Heidrun wandte ihm den Kopf zu. »Ich würde es aber gerne wissen. Wie Sie sich denken können, habe ich eine Disposition zum Sonnenbrand.«
»Aber das ist doch Allgemeinbildung, was sie da erzählt!«
Heidrun starrte ihn an. Ihr Blick sagte, fick dich, Besserwisser. Hedegaard lächelte beschwichtigend.
»Also, im leeren Raum nimmt jeder Körper, ob Raumschiff, Planet oder Astronaut, die Temperatur an, die seiner Umgebung entspricht. Sie errechnet sich aus den Faktoren Sonneneinstrahlung und Rückstrahlung in den Weltraum. Darum sind Raumanzüge weiß, um möglichst viel Licht zu reflektieren, wodurch sie weniger aufgeheizt werden. Trotzdem hat man auf der sonnenzugewandten Seite von Raumanzügen schon über 120° Celsius gemessen, während auf der Schattenseite -101° Celsius herrschten.«
»Brrrr«, sagte Parker.
»Keine Bange, davon merken Sie nichts. Raumanzüge sind klimatisiert. Innen herrschen verträgliche 22° Celsius. Natürlich nur, wenn der Anzug richtig angelegt ist. Jede Nachlässigkeit kann den Tod bedeuten. Später auf dem Mond werden Sie ähnliche Bedingungen vorfinden, in den Polarregionen gibt es Krater, die mit -230° zu den kältesten Gebieten im ganzen Sonnensystem gehören! Nie fällt Licht ein. Durchschnittlich beträgt die Tagestemperatur auf der Mondoberfläche 130° Celsius, nachts geht's runter auf -160°, übrigens ein Grund, warum die Apollo-Landungen am Mondmorgen stattfanden, wenn die Sonne tief steht und es noch nicht ganz so heiß ist. Trotzdem, als Armstrong in den Schatten seiner Mondfähre trat, sank die Temperatur seines Anzugs schlagartig von 65° auf -100° Celsius, ein einziger Schritt! – Noch Fragen dazu?«
»Zum Vakuum«, sagte Rogaschow. »Es heißt, man platzt, wenn man dem luftleeren Raum schutzlos ausgesetzt wird.«
»Ist nicht ganz so dramatisch. Aber sterben würden Sie auf jeden Fall, also immer hübsch den Helm anlassen. Die meisten von Ihnen kennen noch die alten Raumanzüge, in denen man aussah wie ein Marshmallow. Dermaßen aufgepumpt, dass die Astronauten rumhüpfen mussten, weil sich die Hosenbeine nicht biegen ließen. Für Kurzzeitmissionen und gelegentliche Weltraumausflüge war das okay. In dauerhaft besiedelten Weltraumstädten, auf dem Mond oder auf dem Mars wären solche Anzugmonster unzumutbar.«
Hedegaard wies auf den Overall, den sie trug. Er war aus dickem, neoprenartigem Material und überzogen von einem Netz dunkler Linien. Hartschalen schützten Ellenbogen und Knie. Obschon sie darin aussah, als habe sie drei Taucheranzüge übereinandergezwängt, wirkte das Ganze irgendwie sexy.
»Seit Kurzem sind darum solche Anzüge im Einsatz. Biosuits, entwickelt von einer schönen Frau, Professor Dava Newman vom MIT. Hübsch, mhm?« Hedegaard drehte sich langsam
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