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Lincolns Träume

Lincolns Träume

Titel: Lincolns Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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verlegen.« Ich richtete mich, die nasse Hand an der Jeans reibend, auf und wandte mich um. »Und zwar nach…«
    Annie war weg. »Annie?« sagte ich blöde, schaute die Reihe der Grabsteine entlang und dachte, daß sie vielleicht hinter mich getreten war, aber sie war nicht da. Sie muß ins Haus gegangen sein, dachte ich. Es muß heute trotz allem geöffnet haben.
    Ich ging eilig über den Kiesweg und stieg die spiegelglatten Stufen zur Veranda hoch. Der Wind blies Schnee gegen die geflieste Veranda und gegen die bräunlichen Säulen, so daß sie fast weiß aussahen.
    Ich versuchte die Tür zu öffnen und hämmerte dann dagegen. »Haben Sie geöffnet?« schrie ich und versuchte, durch die Fenster hindurch etwas zu erkennen, aber ich hämmerte noch einen ganze Minute lang weiter, als glaubte ich, Annie sei eingeschlossen worden, ehe mein Verstand mir sagte, daß ihr möglicherweise kalt geworden und sie zum Auto zurückgegangen war, und ich ging ums Haus herum, um nachzusehen.
    Sie war nicht im Wagen, und der Souvenirladen war fest verschlossen, und ich hörte auf, so zu tun, als wäre ich nicht beunruhigt, und eilte wieder zur Vorderseite des Hauses, um vom Hügel auf die Wiese hinunterzuschauen, wo die Leichen begraben worden waren.
    Während ich zum Wagen und zurück gelaufen war, hatte der Wind zugenommen, und ich konnte vom Hügel aus nicht weiter als ein paar Meter sehen. »Annie!« rief ich. »Annie!«
    Ich war mir nicht sicher, ob ich ihre Antwort hätte hören können, aber ich rief wieder, bereit dazu, mich den Hügel hinunterzustürzen, und dann erhaschte ich einen flüchtigen Blick auf etwas Graues, das sich zwischen den Bäumen auf der anderen Seite der Villa Arlington bewegte, und rannte ihr nach. Sie mußte auf der Custis-Promenade sein, dem breiten zementierten Weg, der von der weiter unten liegenden Straße heraufführte. Er beschrieb einen weiten Bogen um den Hügel, damit er nicht den Eindruck des Gebäudes verdarb, und als ich ihn hinunterrannte, fragte ich mich, ob man die Toten aus dem gleichen Grund verlegt hatte, nämlich weil sie die Aussicht gestört hatten.
    Der Weg war kaum von Schnee bedeckt, wo er durch die Bäume geschützt war, die man über seine ganze Länge hin gepflanzt hatte, und ich nahm in dem Versuch, sie einzuholen, immer zwei der geborstenen, unebenen Stufen auf einmal, und plötzlich fand ich mich an der geschwungenen Wand und der marmornen Terrasse des Kennedy-Mahnmals wieder. Die Ewige Flamme brannte auf dem Grab inmitten eines Kreises unbehauener, rauchgeschwärzter Steine, auf denen der niederfallende Schnee schmolz.
    Ich blickte zurück, den Hügel hinauf. Der Schnee wehte beinahe horizontal über den Hügel weg, und die Villa Arlington konnte ich nicht sehen, dafür aber Annie. Sie stand auf halber Höhe des Hügels hinter einer niedrigen Mauer und blickte auf den schneebedeckten Rasen hinunter, wo nun niemand mehr begraben war. Ich mußte direkt hinter ihr vorbeigelaufen sein und die Abzweigung auf meiner kopflosen Jagd die Treppe hinunter übersehen haben. Sie sah mich nicht, der ich hilflos dastand und zu ihr hinaufschaute, und auch nicht die Ewige Flamme, die vor den nassen Schneeflocken, die auf sie herabfielen, zurückzuschrecken schien, aber ich konnte sie trotz des Schnees und der zwischen uns liegenden Entfernung deutlich ausmachen. Ich konnte ihren Gesichtsausdruck sehen.
    Sie hatte am Abend zuvor, als sie mir den Traum erzählt hatte, verängstigt ausgesehen, aber das war nichts verglichen mit dem Schrecken, der ihr jetzt im Gesicht stand. Und ich konnte sie sehen, die blondhaarigen Soldaten mit den über das verschneite Gras geworfenen Armen, die Gewehre unter ihren Leibern und die Tinte auf den Papierfetzen, die an ihre Ärmel geheftet waren, und die sich allmählich verwischte, als der Schnee auf das Papier traf und schmolz. Ich konnte das alles, sogar die Katze, in ihrem Gesicht wie in einem Spiegel sehen, und ich wußte, ich hätte sie nicht hierherbringen dürfen.
    »Annie!« schrie ich und spurtete die steile Böschung hinauf, wobei meine Schuhe auf dem vereisten Gras ausrutschten. »Halt dich fest!« rief ich, als glaubte ich, sie könne hinfallen. »Ich komme!«
    Ich kletterte über die mit Kieseln besetzte Betonmauer. »Ich hab dich aus den Augen verloren«, sagte ich atemlos und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. »Ist mit dir alles in Ordnung?«
    »Ja«, sagte sie und blickte unverwandt den Hügel hinunter. »Erzähl mir von Robert E.

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