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Lincolns Träume

Lincolns Träume

Titel: Lincolns Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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Fliesen geschwungene Verwehungen gebildet. »Warum setzen wir uns nicht ins Auto und reden weiter?« sagte ich. »Es ist eisig hier draußen.«
    Sie setzte sich auf eine schwarz gestrichene Bank. »Hast du das in einem Buch gefunden?« sagte sie. »Das mit der Katze?«
    »In einem Brief«, sagte ich.
    »Ich könnte das ebenfalls vor langer Zeit einmal gelesen und dann wieder vergessen haben. Ich könnte irgendwo gelesen haben, daß Arlington einmal Lee gehört hat, und auch das vergessen haben.«
    »So wie Bridey Murphy«, sagte ich. »Sie stand unter Hypnose. Sie hatte keine Träume.«
    »Richard meint, Träume wären nicht das, wofür wir sie halten. Sie wären Emotionen in der Gestalt von Bildern und Symbolen, und in der Sekunde, in der man aufwacht, versucht man die Bedeutung des Traums vor sich selbst dadurch zu verbergen, daß man Dinge hinzufügt und andere vergißt, damit der Traum eine andere Bedeutung bekommt. Vielleicht ist das genau das, was ich tue. Ich mache tote Unionssoldaten aus ihnen, und in Wirklichkeit sind sie etwas anderes.«
    »Was?« fragte ich.
    »Ich weiß nicht.«
    »Was für ein Gewehr hatte der Soldat? Der, auf den du getreten bist. Du sagtest, daß er immer noch sein Gewehr umklammert hielt. Was für ein Gewehr war das?«
    »Ich glaube, es war ein Spielzeuggewehr«, sagte sie. »Es sah aus wie ein Gewehr, aber es war ein Rolle Zündplättchen darin, wie bei einer Spielzeugpistole.« Sie sah zu mir auf. »Soll das heißen, daß ich in unserem Obstgarten jemanden mit einem Schreckschußrevolver erschossen habe und mich dann dazu gebracht habe, es zu vergessen?«
    Der Schnee fiel um uns herum wie ein Vorhang. Ich konnte kaum weiter als bis zum Rand der Veranda sehen. »Eins der im Bürgerkrieg benutzten Gewehre war die sogenannte Springfield. Zum Verfeuern von Steinkugeln benutzte sie eine Papierrolle mit Zündhütchen, wie die Zündplättchenrolle in einer Spielzeugpistole.«
    »Ich hatte noch einen anderen Traum gestern nacht«, sagte sie.
    »Wir können nicht hier draußen sitzenbleiben. Du kannst mir im Wagen davon erzählen«, sagte ich, stand auf und bot ihr meine Hand. Sie ergriff sie mit ihrer eiskalten Hand, und ich half ihr auf. Am liebsten hätte ich ihre beiden Hände genommen und an meine Brust gedrückt und wieder etwas Wärme in sie hineinmassiert, aber sie ließ mich los, sobald sie auf den Beinen war und zog wieder ihre klitschnassen Handschuhe an. Wir gingen zum Wagen zurück.
    Ich ließ den Motor an und drehte die Heizung und das Gebläse so hoch, wie es eben ging. Ich schaltete nicht die Scheibenwischer ein, und der angehäufte Schnee entzog das Haus und den Garten und die Gräber unserem Blick.
    »Ich stand unter dem Apfelbaum, nur war er auf einem Hügel, und unten war ein Fluß, und wo eigentlich mein Haus hätte stehen sollen, war die presbyterianische Kirche, in die ich als kleines Mädchen immer gegangen bin«, sagte sie. Sie zog die Handschuhe aus und begann sie in den Händen zu wringen, und dann hörte sie damit auf und steckte sie in ihre Tasche.
    »Es war Nachmittag, und Richard war da. Er trug seine Hausschuhe, und er blickte den Hügel hinunter, aber ich konnte nicht erkennen, was er beobachtete, und ich ärgerte mich, weil er das tat, anstatt mir beim Suchen zu helfen.« Sie brach ab und starrte auf die blinde Windschutzscheibe.
    »Beim Suchen helfen? Wonach?« fragte ich.
    »Nach der Botschaft. Es gab hunderteinundneunzig davon, aber eine fehlte, und ich sagte zu Richard: ›Wir müssen sie finden‹, aber er wollte einfach nicht sein Fernrohr absetzen, er zeigte nur den Hügel hinunter und sagte: ›Frag Hill. Er weiß, wo sie ist‹, und zuerst dachte ich, er meinte den Hügel, auf dem wir standen, aber dann sah ich einen Mann auf einem grauen Pferd, und ich ging hinunter und sagte wütend: ›Wo ist sie?‹, aber er beachtete mich ebenfalls nicht. Er versuchte, von seinem Pferd herunterzukommen, aber das Pferd war vornübergefallen, irgendwie auf die Knie. Seine Knie waren gebeugt…«
    Sie versuchte es mir zu zeigen, aber ihre Ellbogen wollten sich nicht in der richtigen Weise abbiegen lassen, und ich wußte bereits, wie das Pferd ausgesehen hatte. Ich schloß die Augen.
    »Er hatte einen Fuß im Steigbügel und versuchte, sein anderes Bein über das Sattelhorn zu bekommen, aber er schaffte es nicht, und nach einer Weile ging ich wieder den Hügel hinauf zu Richard und sagte: ›Wir müssen sie finden.‹ Er gab mir ebenfalls keine Antwort, weil er

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