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Lincolns Träume

Lincolns Träume

Titel: Lincolns Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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weiß, daß du müde bist. Leg dich ruhig ins Bett, mein Sohn. Ich werde mich um die Meute dort oben kümmern.« Seine Hand ruhte immer noch auf meiner Schulter. »Hattest du schon Gelegenheit, die Szene zu lesen, die ich dir gegeben habe?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Ich habe Ben mit seinem Bruder kämpfen lassen, wegen eines Mädchens. Ich frage mich, wie viele Soldaten das wohl taten, anmustern wegen eines Mädchens?«
    Ich blickte auf das Buch hinunter, das ich gerade in der Hand hatte. Es war der fehlende zweite Band. »Keine Ahnung«, sagte ich und machte, daß ich von ihm wegkam.

 
2
     
Robert E. Lee sah Traveller zum erstenmal während des Big Sewell Mountain-Feldzugs in West Virginia. Er ritt damals, auf Richmond, einen großen braunen Hengst, der ihm von einigen seiner Bewunderer in Richmond geschenkt worden war. Das Pferd Richmond hatte nicht das nötige Stehvermögen oder die Veranlagung zum Krieg. Es ermüdete schnell und wieherte und bockte, wann immer andere Pferde in der Nähe waren. Als Lee in den Süden beordert wurde, nahm er Richmond nicht mit. Er nahm ein Pferd mit, das ›Brauner Schecke‹ genannt wurde und später blind wurde und in den Ruhestand versetzt werden mußte. Nach Manassas gab General Jeb Stuart Lee eine sanfte Stute mit Namen ›Lange Lucy‹, um Traveller zu entlasten. Im Jahre 1864 verließen Lucy die Kräfte, und Lee schickte sie zur Erholung hinter die Front. Dort wurde sie gestohlen und an einen Sanitätsoffizier aus Virginia verkauft.
     
    ICH WACHTE NICHT VOR ZEHN am nächsten Morgen auf, wobei ich den Eindruck hatte, das Telefon habe geklingelt. Es mußte geklingelt haben. Das Lämpchen brannte. Ich stellte den Anrufbeantworter an und hörte die Anrufe ab, während ich mich anzog. Es waren zwei. Der erste war von Broun. Sie hatte den verfärbten Klang von Brouns Autotelefon. »Jeff, ich habe mich nach New York aufgemacht«, sagte er. »Ich habe meinen Herausgeber heute morgen angerufen. Er meint, es sei zu spät, eine Episode hinzuzufügen, sie druckten schon die Fahnen aus, deshalb bringe ich ihm die Szene persönlich, um sicherzustellen, daß sie noch hineinkommt. Ich komme heute abend zurück. Oh, und vergiß die Fahrt nach Arlington. Ich habe heute morgen darüber nachgedacht. Arlington wurde erst 1864 in einen offiziellen Friedhof umgewandelt, und Willie starb 1862. Wir finden später heraus, wo er begraben wurde. Bleib zu Hause und ruh dich ein bißchen aus, mein Sohn. Es wird Schnee erwartet. Oh, und ich habe die Bücher in Ordnung gebracht.«
    Ich schaute aus dem Fenster. Es hatte anscheinend gerade genug gegraupelt, um die Straßen während der Nacht mit einer Eisglasur zu überziehen, und dann aufgehört, aber jetzt fing es wieder an. Es waren nur ein paar große Flocken, und sie schmolzen, noch ehe sie den Gehsteig berührten, aber so hatte es auch in West Virginia angefangen, und dann war ein Blizzard daraus geworden.
    Die Nachricht war schon eine Weile zu Ende, ehe das Gerät und ich es bemerkten. Broun hatte sich geweigert, einen dieser Dreißig-Sekunden-und- Schluß-Apparate zu kaufen. »Niemand, mit dem zu sprechen sich lohnt, kann sein Anliegen in dreißig Sekunden erklären«, waren seine Worte gewesen, aber in Wirklichkeit war er darauf aus, lange Passagen seiner Druckfahnen über Anrufbeantworter durchgeben zu können oder mich auf Band diktieren zu lassen, was ich etwa in Springfield herausgefunden hatte, damit er es sich anhören und ich es nach meiner Rückkehr ins Reine schreiben konnte. Er hatte eine hochkomplizierte Anlage in die Wand hinter seinem Schreibtisch einbauen lassen, mit einem sprachgesteuerten Tonbandgerät, das dreistündige Botschaften aufnehmen konnte, mit jeder Menge ausgefallenen Fernbedienungsfunktionen und Knöpfen für schnelles Umspulen und zum Löschen.
    Ich zog einen Pullover an und wartete auf die zweite Nachricht. Sie kam von Richard. »Ich bin im Institut«, sagte er. »Ich würde gerne mit dir sprechen.« Er hörte sich über Telefon so ärgerlich an wie gestern abend, als er gegangen war.
    Ich löschte beide Nachrichten und rief statt dessen Annie in Richards Wohnung an. »Hier ist Jeff«, sagte ich, als sie sich meldete.
    »Ich habe gerade eben versucht, dich anzurufen«, sagte sie, »aber deine Nummer war besetzt. Mußt du immer noch nach Arlington rausfahren, um deine Nachforschungen zu machen? Ich möchte dich begleiten.«
    »Ich wollte heute fahren«, sagte ich. »Bist du sicher, daß du mitwillst? Es soll ziemlich

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