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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hundert Jahre Zaertlichkeit
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gegangen, als du uns verlassen hast?«
    »Zurück in
mein Haus«, antwortete sie vorsichtig. »Bleibst du von jetzt an bei Papa und
mir?«
    Elisabeth
mußte die Augen abwenden, als sie an das Feuer dachte.
Sie hatte sich die ganze Nacht herumgewälzt und
nach einer Möglichkeit gesucht, dem Schicksal zu
entkommen. Doch soviel sie wußte, konnte man dem Schicksal nicht entrinnen.
    »Nicht für
immer«, sagte sie leise.
    Tristas
Finger schlossen sich um Elisabeths Hand. »Ich möchte nicht, daß du weggehst.«
    In diesem
Moment erkannte Elisabeth, daß sie das auch nicht wollte. Trotz aller harten
Realitäten fühlte sie, daß sie in diese Zeit, zu diesen Menschen gehörte. In
der Tat erschien ihr jetzt ihr anderes Leben im zwanzigsten Jahrhundert im
Staat Washington wie ein Traum. »Laß uns die Dinge einen Tag nach dem anderen
angehen«, erklärte sie dem Kind.
    Sie bog um
eine Kurve, und da stand das Schulhaus – nichts als eine Ruine in Elisabeths
Tagen – mit schimmernden Fenstern und einem festen Dach. Die Glocke im Turm
läutete, während eine schlanke Frau mit dunklen Haaren und hellblauen Augen
heftig am Seil zog.
    Elisabeth
stand ganz still. »Es ist wunderbar«, flüsterte sie.
    Trista
lachte. »Es ist doch nur eine Schule«, sagte sie nachsichtig. »Willst du Miss
Bishop, meine Lehrerin, kennenlernen?«
    Elisabeth
schüttelte lächelnd den Kopf. »Der Unterricht beginnt gleich. Ich lerne Miss
Bishop später kennen.«
    Trista
eilte zu den anderen Kindern, während sie stehenblieb und – selbst eine
Lehrerin – die vertrauten Geräusche genoß. Trista lief »Vera!« rufend auf ein
Mädchen zu. Etwa die Mutter der Buzbee-Schwestern?
    Das Wetter
war freundlich und sonnig, und Elisabeth verspürte kein besonderes Verlangen,
zu Jonathans Haus zurückzugehen und mit dieser mürrischen Haushälterin
zusammenzutreffen, weshalb sie weiter Richtung Stadt ging. AlS sie sich dem
Ortsrand näherte, drang das metallische Kreischen einer dampfgetriebenen Säge
an ihre Ohren. Elisabeth beschleunigte ihre Schritte. Obwohl sie Angst hatte,
wurde sie von einer verrückten Neugierde angetrieben.
    Der erste
Blick auf die Stadt traf sie wie ein Schlag, obwohl sie gedacht hatte,
vorbereitet zu sein. Die Hauptstraße schien zu gleichen Teilen aus Schlamm und
Pferdemist zu bestehen, und die verwitterten Gebäude wirkten wie aus einer
Wiederaufführung von »Bonanza«. Jeden Moment mußten Hoss und Little Joe aus dem
Silver Lady Saloon kommen ...
    Überall
waren Pferde und Pferdewagen, und die lauten Maschinen der Sägemühle
kreischten. Elisabeth wanderte an einer Schmiede vorbei, in der ein Mann mit
einer schwarzen Lederschürze arbeitete, und wich zwei Holzfällern aus, die aus
dem General Store kamen, mitten auf dem Bürgersteig stehenblieben und sie
lüstern betrachteten.
    Als sie
Jonathans Aushängeschild an der Wand eines kleinen, nicht angestrichenen
Gebäudes sah, eilte sie darauf zu. Auf eine schwarze Tafel an der Wand neben
der Tür war das Wort »Geöffnet« mit weißer Kreide geschrieben. Lächelnd ging
sie hinein.
    Ein
riesenhafter Mann mit einer Ölzeughose und einem blutigen Flanellhemd saß am
Ende eines altmodischen Untersuchungstisches. Jonathan wickelte einen sauberen
Verband um den Arm des Patienten. Bei ihrem Anblick nahm er seine
Goldrandbrille ab und schob sie in die Hemdtasche.
    »Gibt es
ein Problem?« fragte er.
    Von dem
Anblick fühlte sie sich ein wenig schwach, tastete nach einem Stuhl und setzte
sich. »Nein. Ich erforsche Pine River.«
    Der
Holzfäller lächelte sie an. »Das muß die Lady sein, die Sie in Ihrem Haus
verstecken, Doc«, meinte er.
    Jonathan
warf dem Patienten einen verärgerten Blick zu und vervollständigte den Verband.
»Ich habe gar nichts versteckt«, erwiderte er. »Und erzählen Sie das nicht
allen in der Stadt, Ivan, sonst nähe ich Ihnen den Mund zu, wie ich das mit
Ihrem Arm gemacht habe.«
    Ivan stand
auf und zog eine Münze aus seiner schmutzigen Hose. »Einen schönen guten Tag,
Ma'am«, sagte er und verließ zögernd die Praxis.
    Jonathan
wischte das Blut weg, das Ivan hinterlassen hatte. »Hierherzukommen war
vielleicht nicht so intelligent.«
    Ihre
Aufmerksamkeit wurde von dem Kalenderblatt an der Wand in Anspruch genommen.
17. April 1892. Es war
unglaublich. »Ich war neugierig«, erklärte sie zerstreut und
dachte an ein Dokumentarspiel im Fernsehen. »In ein paar Monaten, im August,
wird in Fall River, Massachusetts, eine Frau angeklagt werden, ihren Vater und
ihre

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