Linda Lael Miller
im
ersten Stock, hob er Elisabeth auf seine Arme und trug sie über die
Hintertreppe in die Küche und dann über die andere Treppe hinauf in Tristas
Zimmer. Unmittelbar darauf stand er an der Schwelle.
Obwohl er
nie religiös gewesen war, betete Jonathan in diesem Moment. Dann schloß er fest
die Augen und trat über die Schwelle.
Die
plötzliche Leichtigkeit in seinen Armen entrang ihm einen heiseren
Verzweiflungsschrei. Er war noch immer in seiner Zeit – dieselben Bilder hingen
an den Wänden, und der vertraute Läufer befand sich unter seinen Füßen.
Aber
Elisabeth war verschwunden.
Miss Cecily Buzbee flatterte aufgeregt
herum, während die jungen Männer vom Krankenhaus Elisabeths leblosen Körper
auf eine Trage hoben und an ihrer linken Hand eine Infusionsnadel anbrachten.
»Es ist
schon ein Glück, daß ich vorbeigekommen bin, um nach ihr zu sehen«, meinte Miss
Cecily und folgte ihnen, als sie Elisabeth die Treppe hinunter und zur Haustür
trugen. »In diesem Haus geht etwas Seltsames vor. Merken Sie sich meine Worte,
und meine Schwester und ich haben gut daran getan, den Sheriff anzurufen.«
Die
Sanitäter hoben die Trage in den Krankenwagen, und einer von ihnen stieg mit
ein.
»Nur der
Himmel weiß, wie lange sie schon in diesem Korridor gelegen hat«, plapperte
Cecily weiter und folgte dem zweiten Mann, als er sich hinter das Steuer
setzte.
»Hat Mrs.
McCartney irgendwelche Allergien, von denen Sie wissen?« fragte er durch das
offene Fenster.
Cecily hatte
keine Ahnung, und sie bedauerte, daß sie nicht helfen konnte.
»Nun, wenn
sie Angehörige hat, sollten Sie sich sofort mit ihnen in Verbindung setzen.«
Der junge Mann fuhr los.
Die Worte
trafen Cecily wie ein Schlag. Gütiger Himmel, das arme Ding war zu jung und zu
schön, um zu sterben.
Cecily
blickte hinterher, bis der Krankenwagen mit zuckenden Lichtern und heulender
Sirene auf die Hauptstraße eingebogen war. Dann eilte sie ins Haus und begann,
nach Elisabeths Adreßbuch zu suchen.
»Jonathan?«
Der Name schmerzte Elisabeth in der Kehle. Sie versuchte sich aufzusetzen,
doch sie war zu schwach.
Und sie wurde sofort von einer Krankenschwester in die Kissen zurückgedrückt.
Eine
Krankenschwester!
Jeder
Muskel in Elisabeths schlaffem und schmerzendem Körper spannte sich alarmiert
an. Ihr Blick zuckte hektisch durch den Raum und suchte das Gesicht, das
bedeutet hätte, daß alles in Ordnung war.
Doch es gab
kein Anzeichen von Jonathan, und der Grund war schmerzlich klar. Irgendwie
hatte sie ihren Weg zurück in das zwanzigste Jahrhundert gefunden, obwohl sie
sich nicht bewußt an den Durchgang erinnern konnte. Und das bedeutete, daß sie
von dem Mann, den sie liebte, getrennt war.
Die
Schwester war eine junge Frau, groß, mit kurzen, gelockten braunen Haaren und
freundlichen Augen. »Entspannen Sie sich«, sagte sie. »Sie sind sicher im
Krankenhaus untergebracht.«
Elisabeth
konnte kaum ihre Panik unterdrücken. »Wie lange bin ich schon hier?« fragte
sie, als die Schwester – Vicki Webster laut Namensschild – ein Glas mit kaltem
Wasser hielt, damit Elisabeth durch einen Strohhalm trinken konnte.
»Erst zwei
Tage«, antwortete Vicki. »Eine Freundin war praktisch die ganze Zeit hier.
Möchten Sie sie sehen?«
Einen
Moment hoffte Elisabeth, daß Rue von ihrem Auftrag zurück war, doch Rue gehörte
zur Familie und hätte sich nicht als Freundin bei dem Personal eingeführt.
Minuten
später erschien Janet. Sie sah hager aus, ihre Frisur war eine Katastrophe, ihr
Regenmantel war verknittert, und sie hatte dunkle Ringe unter den Augen. »Hast
du eine Ahnung, was für Sorgen ich mir gemacht habe?« fragte sie, als sie an
das Bett trat. »Zuerst habe ich mit diesem seltsamen Mann am Telefon
gesprochen, und dann habe ich überhaupt keine Antwort mehr bekommen ...«
Elisabeth
ergriff ihre Hand. »Janet, welcher Tag ist heute?«
Janet
überlegte kurz. »Der zehnte Juni.«
»Der zehnte
...« Elisabeth schloß die Augen. Die Zeit jagte dahin, nicht nur hier, sondern
auch im neunzehnten Jahrhundert. Vielleicht waren Jonathan und Trista in
diesem Moment in dem brennenden Haus eingeschlossen, vielleicht waren sie
schon tot.
Janet nahm
ein Papiertaschentuch aus der Schachtel auf dem Nachttisch und wischte die
Tränen weg, die Elisabeth nicht einmal bemerkt hatte. »Beth, ich weiß, du bist
krank, und offenbar bist du deprimiert. Aber du darfst nicht aufgeben.«
Elisabeth
war zu müde, um noch etwas zu sagen, und Janet blieb noch
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