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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denn dein Herz kennt den Weg
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der Dunkelheit, weil er Melissande so unendlich geliebt und
sie ihn mit Verrat dafür belohnt hatte. Weil er Schläge und Hunger erlitten
hatte und gezwungen gewesen war, in einem stinkenden, rattenverseuchten Loch
zu schlafen, falls man ihm überhaupt ein wenig Ruhe gönnte. Er war angespuckt,
geschlagen und getreten worden, und man hatte ihn schlechter behandelt als ein
Tier. Dann, endlich, war jemand erschienen, um ihn abzuholen, jemand, dessen
Auftreten und Verhalten ihm bekannt erschienen war – doch nur, um ihn noch
weiteren Qualen auszusetzen.
    Queech.
    James hatte
ihn geschickt, ganz ohne Zweifel. James, der Melissande zu seiner Gräfin hatte
machen wollen.
    Christian
lenkte seine Gedanken auf die Gegenwart, die ihm trotz ihrer Mängel viel
erträglicher erschien. Er wußte, daß er sich in Gefahr befand, selbst innerhalb
der Mauern der Abtei, weil er noch viel zu schwach war, um sich zu verteidigen,
und von den Schwestern nicht erwar tet werden konnte, daß sie sich gegen
bewaffnete Männer zur Wehr setzten. Er würde eher sterben, als in das Leben
zurückzukehren, das er während seiner Gefangenschaft geführt hatte, aber es war
auch durchaus möglich, daß ihm nicht einmal diese Wahl gelassen wurde.
    Verstohlen
wischte er mit dem Handrücken über seine Augen. Er hatte andere Männer nach
kurzen Zeiträumen der Freiheit auf die Galeeren zurückkehren sehen, er hatte
gesehen, wie sie aufgaben, wie sie sich weigerten, zu rudern, zu essen und zu
schlafen. Aus freien Stücken waren sie an den Pfahl getreten, um sich zu Tode
peitschen zu lassen, und dann waren ihre zerfetzten Körper achtlos über Bord
geworfen worden, als Futter für die Fische.
    Aber der
Gedanke, daß man ihn vielleicht zwingen würde, in diese Hölle zurückzukehren,
war nicht das Schlimmste. Nein, was Christian viel mehr bedrückte, war die Gewißheit,
daß Melissande – ausgerechnet Melissande – der Mensch gewesen war, der ihn in die Sklaverei
verkauft hatte. Melissande, die er so innig geliebt, so aufrichtig verehrt
hatte, daß in seinem Herzen kein Platz mehr war für eine andere Frau, selbst
jetzt.
    Christian
hatte keinen Ton von sich gegeben, denn Schweigen war eine Kunst, die man auf
einer Galeere sehr schnell und gut erlernte, und dennoch schien es, als hätte
Melissande seine Gedanken gehört, denn sie erwachte und erhob sich von ihrem
Schemel, um sich dem Bett zu nähern.
    »Wo ist
dein Schleier?« fragte er, aus Furcht, irgend etwas anderes zu sagen. Trotz
allem, was geschehen war, sehnte sich ein Teil von ihm danach, sie in die Arme
zu nehmen und fest an sich zu ziehen. »Aber warum frage ich? Du wirst ja doch
nicht antworten.«
    Sie schaute
ihn nur an, aus großen Augen, die in diesem düsteren Krankenzimmer dunkel
schimmerten, in dem er der einzige Patient war. Das war an sich ein Luxus, daß
er soviel Platz für sich allein besaß, er, der er geschlafen hatte wie ein
Hund, zusammengerollt auf Lumpen und verfaultem Stroh,
in einem Raum, der so mit Menschen vollgestopft war, daß er sich nicht bewegen
konnte, ohne jemand anderen zu berühren.
    »Sag mir,
warum du es getan hast«, bat er. »Das wenigstens bist du mir schuldig.«
    Sie biß
sich auf die Unterlippe, versuchte zu antworten, doch sie brachte keinen Ton
heraus.
    »Dann werde ich dir sagen, warum«, stieß Christian hervor, und dann strömte alles
aus ihm heraus, in einem einzigen, bitterbösen Schwall von Worten – all die häßlichen
Vorstellungen und Ideen, die er in diesen zwei Jahren der Qual, der
Unsicherheit und fast unerträglichen Einsamkeit genährt hatte. »Weil du
beschlossen hattest, lieber meinen Bruder zu heiraten als mich und Gräfin zu
werden. Daß er nicht einmal einen Stein besaß, an dem er einen Funken hätte
schlagen können, war dabei nicht wichtig, denn schließlich hattest du genug
Gold für ganz England, nicht? Das Problem war nur der arme Christian – dieser
unglückselige Zweitgeborene, der dir keinen anständigen Titel bieten konnte,
der zu deinem Reichtum paßte. Was tun also mit dem armen Narren? Ah ja. Du
brauchtest nur dafür zu sorgen, daß er überfallen, zusammengeschlagen und auf
eine deiner eigenen Galeeren gebracht wurde. Meisterhaft. Absolut meisterhaft.«
    Melissandes
Gesicht war eine Studie der Verblüffung. Sie erblaßte, ihre Augen wurden groß.
»Du glaubst doch nicht im Ernst ...« gelang es ihr zu sagen.
    Christian
befeuchtete seine Lippen, aber sein Blick wich keine Sekunde lang von ihr.
»Bevor ich das Haus deines

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