Linda Lael Miller
Die Sonne stand jetzt schon höher und
warf ihr gleißend helles Frühlingslicht über das Land.
Bess kniff
die Augen zusammen und erblickte eine kleine Blockhütte, genau wie jene, die
sie in Bilderbüchern gesehen hatte. Jemand – wahrscheinlich war es Will gewesen
– hatte einen ziemlich großen Gemüsegarten neben dem Haus angelegt. Auf der
anderen Seite war eine Wäscheleine aufgespannt, an der eine verblichene
Flickendecke hing.
Hühner
gackerten und flatterten vor dem Haus herum, ein großer gelber Hund kam aus der
Scheune, die viel größer als das Haus war, und ein lautes, klägliches Muhen
ertönte aus dem langgestreckten Gebäude, das offenbar ein Kuhstall war.
Will war
schon abgestiegen und ging um den Wagen herum, um Bess hinabzuheben, aber er
blieb lachend stehen, als der Hund ihn freudig ansprang.
»Beißt er?«
fragte Bess. Sie hatte zwar keine Angst vor Hunden, aber ihre Vernunft riet
ihr, jedem Tier, das mehr wog als sie selbst, mit Vorsicht zu begegnen.
»Calvin?«
fragte Will erstaunt und lachte schallend. »Nein, Ma'am, Calvin beißt niemanden
außer Banditen, Steuereintreibern und Hausierern – nicht wahr, mein Junge?«
Bess, die
sich ein wenig ärgerte, daß Will dem Hund mehr Beachtung schenkte als ihr,
schickte sich an, allein vom Bock zu steigen, da Will zu beschäftigt war, den
Hund zu begrüßen, um ihr eine Hand zu reichen.
Sie begann
abzusteigen, mit dem Rücken zu Will, aber ihr Fuß verfing sich in ihren langen
Röcken, und plötzlich spürte sie, wie Wills starke Hände ihre Hüften umfaßten
und dann langsam zu ihrer Taille hinaufglitten.
Bess war
peinlich berührt, nicht nur von der Intimität der Geste, sondern vor allem von
ihrer eigenen Reaktion darauf. Ihr war, als sei ihr Körper vollgestopft mit
chinesischen Feuerwerkskörpern, die nun alle auf einmal losgingen.
Eine Seite
seines Munds verzog sich zu einem Lächeln, als hätte Will ihre Gedanken
gelesen, und sie hätte schwören mögen, daß es Absicht war, als er sie ganz
langsam an seiner Brust hinabgleiten ließ, bis ihre Füße festen Boden
berührten.
Einen
schier endlosen Moment lang schaute er ihr in die Augen, seine Hände noch auf
ihrer Taille, und sie ertappte sich bei dem Gedanken, wie er wohl mit einem
vernünftigen Haarschnitt und glattrasiert aussehen würde. Das Gesicht, das
dann in ihrer Phantasie erschien, ließ ihr Herz vor Erregung schneller pochen.
Endlich
trat Will zurück und begann ihr Gepäck auszuladen. Bess
entfernte sich hastig, ging um die Blockhütte herum und fand das
Klosetthäuschen.
Als sie
dort fertig war, kehrte sie zum Hof zurück, und da Will nirgendwo zu sehen war,
ging sie zur offenen Tür der Blockhütte.
Er war
dabei, ihr Gepäck mitten in dem einzigen Raum der Hütte aufzustapeln, und ein
grimmiger Ausdruck prägte seine Züge dabei. Die Truhen und Kisten bildeten eine
sehr willkommene Raumteilung, erschien es Bess.
Sie würde
in dem ordentlich gemachten Bett mit dem auf Hochglanz polierten Bronzegestell
und der sauberen Decke schlafen, während Will sich auf dem Bärenfell am anderen
Ende des Raums vor dem Kamin ausstrecken konnte. Ja, das erschien ihr eine
akzeptable Lösung, zumindest, bis sie entschieden hatte, ob sie bleiben oder
gehen sollte, und sie zögerte nicht, Will ihre Überlegungen mitzuteilen.
Er warf ihr
einen fassungslosen Blick zu, richtete sich auf und straffte seine breiten
Schultern.
»Wie
bitte?« fragte er in leisem, aber nichtsdestoweniger bedrohlichem Tonfall.
»Sie verlangen von mir, daß ich mein Bett aufgebe?«
Bess blieb
in der Tür stehen, weil sie dachte, daß sie vielleicht jederzeit die Flucht
ergreifen mußte, und antwortete mit unerschütterlicher Überzeugung: »Es ist
nicht mehr, als was Sie von diesem Ladenbesitzer erwartet hätten. Sie haben
ihm sogar Vorwürfe gemacht, weil er es versäumt hatte, wenn ich mich recht
entsinne.«
Für einen
Moment sagte Will nichts, blieb verdächtig still. Dann klatschte er ganz
unvermittelt in die Hände und lächelte. »Die Siedler haben einen Brauch, den
sie > Einpacken < nennen«, sagte er. »Ünd genau das werden wir tun, bis
Harlan herkommt und uns traut.«
Bess
verzichtete auf den Einwand, daß sie einer Heirat noch nicht zugestimmt hatte.
Sie war auf die Gastfreundschaft dieses Mannes angewiesen und wollte ihn nicht
kränken. » > Einpacken < ?« wiederholte sie verwundert und mit etwas
unsicherer Stimme.
»Ja,
einpacken«, antwortete Will, als er sich wieder daranmachte, die
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