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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denn dein Herz kennt den Weg
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eine Frau das
mit etwas Glück auch durchaus genießen könne ...
    »Ich bin
sicher, daß mein guter Ruf für immer ruiniert wäre«, murmelte sie nachdenklich.
    Will
löschte die einzige Petroleumlampe auf dem Tisch, und Dunkelheit breitete sich
in der Hütte aus, die nur noch der schwache Schein des ersterbenden Feuers ein
wenig erhellte. Wills Lachen beunruhigte und entzückte Bess zugleich. »Es ist
niemand hier, den es kümmern würde, was mit Ihrem > guten Ruf < geschieht.
Außerdem haben Sie den bestimmt sowieso schon vor langer Zeit verloren, als
Sie sich per Post als Braut anboten und sich auf den Weg in den romantischen
Westen machten.«
    Bess hätte
ihn vorher vielleicht noch geohrfeigt für seine Einschätzung ihrer Situation,
aber das Abendessen und die friedvolle Beschäftigung, Wills Haar zu schneiden,
hatten ihr aufbrausendes Temperament besänftigt. Sie dachte an die grausam
unterdrückten Indianer, die sie nach der Überquerung des Mississippi River
gesehen hatte, die häßlichen, verwitterten Gebäude, die die Landschaft
verschandelten, die unzähligen toten Büffel neben den Eisenbahnschienen, die
aus reiner Lust am Töten abgeschlachtet worden waren, und Mr. Sickles, den
schmierigen Eigentümer eines rattenverseuchten Kramladens.
    »Ich würde
den Westen nicht gerade romantisch nennen«, antwortete sie. »Aber er ist
wenigstens groß genug, um den verschiedenartigsten Leuten Platz zu bieten.«
    Falls Will
es merkwürdig fand, daß sie in der Dunkelheit stand und plauderte, ließ er
sich jedenfalls nichts anmerken. Er ging einfach nur zum Bett, setzte sich auf
die Kante und zog seine Stiefel aus. Bess wandte den Blick ab, als er die
Hosenträger über die Schultern streifte und sein Hemd aufknöpfte.
    »Das ist
das letzte Mal, daß ich es es Ihnen sage, Bess«, bemerkte er ruhig. »Sie sind
hier sicher. Sie können sich völlig unbesorgt hinlegen und sich ausruhen – ohne
Angst zu haben, ich würde Sie mißbrauchen.«
    Bess stieß
einen tiefen, etwas hilflosen Seufzer aus, ging zum Berg ihres Gepäcks und
klappte einen Koffer auf. Nachdem sie ihr bravstes Flanellnachthemd herausgenommen
hatte, ihre Zahnbürste und eine kleine Dose Zahnputzpulver, wandte sie sich
langsam um zu Will.
    »Na schön«,
sagte sie in einem Ton, als erwiese sie ihm einen riesigen Gefallen. »Wenn Sie
jetzt bitte aufstehen und mich zum Klosett begleiten würden ...?«
    Die
Bettfedern knarrten, als Will seine langen Glieder auf dem Bett ausstreckte.
»Nehmen Sie die Laterne und den Hund mit«, sagte er. »Sie werden draußen
sowieso nichts Größeres als eine Feldmaus antreffen.«
    Bess warf
dem Hund einen mißtrauischen Blick zu und überlegte, ob sie eine ganze Nacht
durchhalten würde, ohne vorher zur Toilette gegangen zu sein. Die Antwort
darauf war nein, doch sie war viel zu ängstlich, um allein hinauszugehen, und
auch viel zu stolz, um Will zu bitten, sie zu begleiten.
    »Werden Sie
kommen, wenn ich schreie?« fragte sie. »So schnell ich kann«, erwiderte er
gähnend.
    Bess legte
ihr Nachthemd und die Zahnbürste auf den Tisch, zusammen mit dem Zahnpulver,
und hob die Laterne auf. Mit einem Streichholz, das sie am Kamin anstrich,
zündete sie die Lampe an und wandte sich tapfer in Richtung Tür. Der Hund, der
auf seinem Platz vor dem Kamin gelegen hatte, stand auf und folgte ihr.
    »Du
wenigstens bist ein Gentleman, Calvin«, lobte sie das Tier und bemühte sich
nicht, ihre Stimme zu dämpfen, während sie den schweren Holzbalken vor der Tür
entfernte. »Du weißt wenigstens, was sich gehört.«
    Draußen vor
der Hütte war die Welt finster und unendlich weit, voll lauernder Schatten und
eigenartiger Geräusche, die ein Stadtmädchen wie Bess nicht näher zu bestimmen
wußte. Von bloßer Willenskraft aufrechtgehalten, marschierte Bess um die
groben Holzwände herum und stapfte durch das hohe Gras zum Klosetthäuschen
hinüber.
    Sie war
schon auf dem Rückweg und beglückwünschte sich gerade zu ihrer Tapferkeit, als
sie merkte, daß der Hund verschwunden war. Ünd da begannen auch schon die
Hühner schrill zu gackern, und aus der Hütte ertönten Flüche und ein lautes
Krachen, als Will aus dem Bett sprang.
    Bess sah
einen Schatten auf sie zuhuschen und war so entsetzt, daß sie wie gelähmt war
und sich nicht rühren konnte. Einen flüchtigen Moment lang stand ein Indianer
in zerlumpten Kleidern vor ihr, und sie sah noch, daß er zwei ängstlich
gackernde und mit den Flügeln schlagende Hühner in den Händen

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