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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denn dein Herz kennt den Weg
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dann, als sie wußte, daß
er neben dem Bett stand, brach das Pfeifen ab. Im nächsten Augenblick wurden
Decke und Laken zurückgeschlagen, und Bess sah sich hilflos seinen Blicken
ausgesetzt – in einem Nachthemd, das über der Brust weit offenstand, und
dessen Saum bis zur Taille hinaufgerutscht war.
    »Guten
Morgen, Mrs. Tate«, sagte Will fröhlich, und ihr kam flüchtig der Gedanke, daß
sein unnachahmliches Grinsen nicht nur mutwillig, sondern sogar ausgesprochen
sündhaft war. Warum war ihr das nicht schon früher aufgefallen? »Es wird
allmählich Zeit, daß du aufstehst und dich von Mr. Kipps verabschiedest.«
    Verlegen
und ärgerlich zugleich, knöpfte Bess mit zitternden Fingern rasch ihr
Nachthemd zu. Sie wollte den Priester gar nicht sehen, weil sie befürchtete,
daß er in der Nacht ihre lustvollen Schreie und ihr Stöhnen gehört hatte, sogar
durch die dicken Wände der Blockhütte, und einen flüchtigen Moment lang fragte
sie sich, ob Will ihr jetzt wohl glauben würde, wenn sie behauptete, sich nicht
wohl zu fühlen.
    Seine Augen
funkelten belustigt, als hätte er längst erraten, was ihr durch den Kopf ging.
Er zog die Decken ans Fußende des Betts, ließ seinen Blick noch einmal langsam
über Bess' Körper gleiten, was ein lustvolles Prickeln in ihr auslöste, das sie
wieder an die Ereignisse der Nacht erinnerte, und kehrte dann pfeifend zum
Herd zurück.
    Bess stand
hastig auf, aus Angst, daß Mr. Kipps jeden Augenblick hereinkommen könne, und
zog ein braunes Baumwollkleid mit einem hohen, steifen Kragen an, das vorn mit
einer langen Reihe winziger Knöpfe geschlossen wurde.
    Es gelang
ihr gerade noch, ihr Haar zu bürsten und aufzustecken, bevor der Prediger an
der Tür anklopfte, die Will offengelassen hatte, und über die Schwelle trat.
    Bess
versuchte es, konnte sich aber einfach nicht dazu überwinden, Mr. Kipps ins
Gesicht zu sehen.
    Sie hatten
das Frühstück schon fast beendet, als der Prediger etwas sagte, was Bess
endlich doch dazu veranlaßte, ihn anzusehen.
    »Es wäre
nett, wenn Sie nach Mae Jessine schauen würden, Mrs. Tate, falls Sie die Reise
schaffen. Sie erwartet jeden Tag ihr Baby, und es würde sie sicher sehr beruhigen,
eine Frau bei sich zu haben, die ihr in diesen schwierigen Momenten beisteht.«
    Bess legte
ihre Gabel nieder, und ihre Augen wurden groß, als sie zuerst den Prediger und
dann Will ansah. Erwarteten diese Männer etwa allen Ernstes, daß sie sich als
Hebamme betätigen würde? Glaubten sie vielleicht, sie wüßte, was zu tun war,
bloß weil sie selbst eine Frau war?
    »Ja, ich
denke, das läßt sich einrichten«, antwortete Will und hob seine Kaffeetasse an
die Lippen, um einen Schluck zu trinken, bevor er fortfuhr. »Ich bin fast
fertig mit dem Pflügen und dem Säen.«
    Errötend wandte
Bess den Blick von seinen Lippen ab, weil sie sich daran erinnerte, wie weich
und warm sie waren, und sie an all die intimen Stellen dachte, wo er sie geküßt
hatte. Um Wills Blick nicht erwidern zu müssen, schaute sie zu Mr. Kipps
hinüber – nur um ein nachsichtiges, wissendes Lächeln in seinen gütigen, alten
Augen zu entdecken.
    Dann
deutete er mit dem Kopf auf ihre Koffer, Truhen und Kisten. »Mae ist in Ihrem
Alter, Mrs. Tate,und hat auch Ihre Kleidergröße«, sagte er. »Aber die
Jessines haben schwere Zeiten hinter sich, und Mae trägt dasselbe Kleid, seit
ich sie kenne.«
    Bess
verstand den Hinweis und war durchaus bereit, ihre Kleider mit der weniger
glücklichen Mae zu teilen, aber vorher wollte sie noch etwas klarstellen. »Ich
habe nicht die geringste Ahnung, was bei einer Niederkunft zu tun ist«, sagte
sie.
    »Dann
sollten Sie es lernen, denn es wird Ihnen hier draußen in der Wildnis sehr
zugute kommen«, erwiderte Mr. Kipps mit unvermindert guter Laune.
    Bess' Herz
sank bis in ihren Magen und ließ keinen Platz mehr für das köstliche Frühstück,
das Will zubereitet hatte. Sie hörte weder Mr. Kipps' Abschiedsworte noch ihre
eigenen, und als der Priester auf seinem Maulesel davongeritten
war, mit lauter Stimme eine Hymne singend, war sie noch immer so stark
beunruhigt, daß sie beim Abtrocknen einen Teller fallen ließ und ihn noch einmal
spülen mußte.
    Sie zuckte
zusammen, als Will hinter sie trat und die Hände auf ihre Schultern legte. »Wir
können hier draußen nur überleben, indem wir uns gegenseitig beistehen, Bess«,
sagte er ruhig. »Wir brechen zu den Jessines auf, sobald ich mit der Aussaat
fertig bin.«
    Bess
straffte die Schultern

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