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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denn dein Herz kennt den Weg
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mußten
etwa eine Stunde oder so gefahren sein – sie kamen nur quälend langsam voran –
als Tom plötzlich einen Schrei ausstieß und den alten Wagen abrupt zum
Stillstand brachte. Mae schlief weiter, aber Bess' Augen weiteten sich vor
Schreck, als sie das Wiehern zahlreicher Pferde hörte. Die Härchen in ihrem
Nacken richteten sich auf, als sie sich zwang, an Kisten mit Nägeln und Gartenwerkzeugen
vorbei durch die Öffnung in der Leinwand hinter Tom zu spähen.
    Sechs
Indianer auf ihren Pferden, in Hirschleder gekleidet und mit Kriegsbemalung im
Gesicht, blockierten die Straße vor dem Wagen. Sie trugen Waffen und wirkten
ausgesprochen feindselig.
    »Was wollen
sie?« flüsterte Bess Tom zu. Sie war viel zu fasziniert vom Anblick dieser
Wilden, um wirklich Angst zu haben – oder zumindest jetzt noch nicht.
    »Ich bin
mir nicht sicher«, antwortete Tom in ruhigem Ton, ohne die Indianer aus den
Augen zu lassen. Seine rechte Hand
umklammerte das Gewehr, das er in weiser Voraussicht schon vorher auf den Sitz
gelegt hatte. »Sie reden eine Sprache, die ich nicht verstehe. Am besten versteckst
du dich im Wagen, Bess. Manchmal entführen sie blonde Frauen.«
    Bess zog
sich in den düsteren Wagen unter die Plane zurück, biß sich auf die Lippen und
wartete ab. Jede einzelne Faser ihres Körpers vibrierte vor Angst, aber nicht
etwa wegen des Risikos, von Wilden geraubt zu werden, so schrecklich diese
Aussicht auch sein mochte. Nein, es war Will, um den sie sich sorgte, Will, der
ganz allein dort oben in seiner Hütte war, ohne sich der Gefahr bewußt zu sein.
    Den
Geräuschen nach zu urteilen, die sie draußen hörte, ritten die Indianer um den
Wagen herum, wahrscheinlich nur, um abzuschätzen, ob ein Überfall sich
überhaupt lohnte. Als einer von ihnen die Leinwand am Ende des Wagens zurückschlug
und hineinspähte, fuhr Bess erschrocken zusammen und schlug die Hand vor ihren
Mund, um nicht aufzuschreien.
    Angesichts
der nun sehr realen Möglichkeit, entführt zu werden, kam Bess plötzlich zu
einigen sehr ernüchternden Einsichten. Falls diese Männer wirklich beschließen
sollten, sie zu rauben, würde sie niemals wieder eine Chance bekommen, Will
wiederzusehen. Ganz abgesehen davon war natürlich anzunehmen, daß die Männer
ihr Gewalt antaten, und der bloße Gedanke, von einem anderen Mann als ihrem
eigenen angerührt zu werden, war ihr schlichtweg unerträglich.
    Bess schloß
die Augen und lehnte sich an eine Kiste, als der Indianer die Leinwand
zurückfallen ließ und sich vom Wagen entfernte.
    Darauf
folgte viel Gerede, alles in sehr ärgerlichem Ton und in dieser fremden,
gutturalen Sprache, die weder Tom noch Bess verstanden. Dann, wie durch ein
Wunder, hörte Bess die Pferde davongaloppieren, und das einzige, was noch von
den Indianern zu hören war, waren die schrillen Schreie, die der Wind zu den drei
Weißen auf der Straße zurücktrug.
    Bess brach
sich fast den Hals bei dem Versuch, aus dem Wagen auf den Bock zu klettern.
»Sind sie fort?« fragte sie Tom. »In
welche Richtung haben sie sich gewandt?« Trotz ihrer Erleichterung konnte sie
an nichts anderes mehr denken, als daß diese Wilden Will ahnungslos auf seinen
Feldern überraschen und ihn töten würden.
    Tom hatte
ein Taschentuch aus seiner Hüfttasche gezogen und wischte sich den Schweiß von
seiner Stirn, bevor er antwortete. »Nicht in Wills Richtung«, sagte er und bewies
damit, daß er einfühlsamer war, als Bess ihn eingeschätzt
hatte. »Aber sie könnten natürlich jederzeit wieder umkehren. Ich kenne einen
Mann in Kelly's Gorge, der nichtsahnend
in seiner Hütte saß, als ein paar Indianer ihn ganz unverhofft überfielen. Sie
haben ihm Dinge angetan, über die ich lieber gar nicht reden will.«
    Bess
schnappte sich ihre kleine Reisetasche und kämpfte sich über Kisten und Kästen
zum Ende des Wagens vor.
    »Ich gehe
zurück«, verkündete sie, nachdem sie abgesprungen war und nach vorn ging, um
trotzig zu Tom aufzuschauen.
    »Wir können
jetzt nicht mehr umkehren«, protestierte er. »Ünd es wäre viel zu gefährlich
für dich, den ganzen Weg zu laufen.«
    Bess'
Prioritäten hatten jedoch eine große Veränderung erfahren nach ihren letzten
Überlegungen, und sie war fest entschlossen, sich auf gar keinen Fall von ihrer
Entscheidung abbringen zu lassen.
    »Es ist mir
egal, ob es gefährlich ist«, antwortete sie. »Ich liebe Will und werde zu ihm
zurückkehren, und kein Indianer soll es wagen, sich mir in den Weg zu

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