Linda Lael Miller
Frauenbewegung begonnen
hat!«
»Wenn wir
jetzt mit Beleidigungen anfangen ...«
»Wage es
nicht!« Katherine preßte die Hände über die Ohren und wich rückwärts zu ihrem
Bett zurück. »Ich weiß genau, was du von mir denkst, Gavin Winslow, aber ich
habe heute eine Menge durchgemacht und wäre dir sehr verbunden, wenn du mich
jetzt in Ruhe lassen würdest!«
Zu ihrem
Erstaunen wich ein wenig von der Strenge aus Gavins Zügen, und er ging zum
Bett, um sie mit einer Art widerstrebender Zärtlichkeit zuzudecken.
»Du hast
recht«, sagte er rauh. »Es tut mir leid.« Und damit beugte er sich
unfaßbarerweise vor, um Katherine auf die Stirn zu küssen, und bei diesem
schlichten, flüchtigen Kontakt veränderte sich etwas tief in ihrem Innersten,
unwiderruflich und für immer.
Gavin kam
den ganzen nächsten Tag nicht in ihr Zimmer, und auch am Tag darauf nicht.
Katherine verbrachte ihre Zeit damit, sich um das Kind zu kümmern, das sie
jetzt endlich selbst stillen konnte, las die Bücher und Zeitungen, die Maria
ihr gebracht hatte, und dachte zurück an jenes andere Leben ...
Denn das
war das einzige, woran sie sich noch bruchstückhaft erinnerte – über die Frau,
die sie geworden war, wußte sie nach wie vor noch äußerst wenig.
Als
Katherine Hollis hatte sie in einer Welt der Hektik und des Lärms gelebt, bei
einem Marktforschungsinstitut in Seattle gearbeitet und nach und nach ihr
kleines Apartment am Lake Washington abbezahlt. Sie war einmal kurz davor
gewesen, eine Ehe einzugehen, hatte dann jedoch gerade noch rechtzeitig
gemerkt, daß Phillip Hughes nicht der Richtige für sie war und ihm seinen Ring
zurückgegeben.
Sie
erinnerte sich, daß sie in einem bescheidenen Heim auf dem Queen Anne Hill in
Seattle aufgewachsen war und ihre geschiedene Mutter, Julia, im Eßzimmer
Klavierunterricht gegeben hatte, um die mageren Unterhaltszahlungen ein wenig
aufzubessern. Julia war an Krebs gestorben, als ihre Tochter zwanzig war, und
danach hatte Katherine nur noch Jeremy gehabt ...
Und
jetzt, dachte sie
staunend, bist du in einer völlig anderen Welt. Hier gab es keine
schnellen Kabrioletts, keine Marktforschungsinstitute, keine Lkws, die mitten
auf dem Highway ausscheren konnten. Dort draußen ratterten Kutschen, Einspänner
und Pferdekarren über holprige, nichtasphaltierte Straßen und
Kopfsteinpflaster.
Die Sonne
schien hell, und der Himmel war so blau, daß sein Anblick Katherine das Herz
zusammenschnürte.
Sie stand
am Fenster und schaute auf den Garten hinaus, mit seinem Pavillon und den
farbenfrohen Blumen, als ein leises Klopfen an der Tür ertönte. Gerade als sie
sich umdrehen wollte, um freudig »Herein« zu rufen – sie war so einsam, daß
sogar Gavin ein willkommener Besuch gewesen wäre –, sah sie ihren Mann durch
ein Tor im Gartenzaun treten.
Er sah so
umwerfend attraktiv aus in den engen Reithosen, dem weißen Leinenhemd, dem
taubengrauen Rock und den hohen Stiefeln, daß Katherine der Atem stockte. Sie
wollte schon an das Glas pochen und ihm zuwinken, weil sie all seine
unerträglichen Eigenschaften vergaß angesichts der starken Anziehungskraft, die
sie empfand, als plötzlich eine Frau an seiner Seite erschien. Ihr elegantes
Kleid war gelb wie die Rosen, die den Pavillon umrankten, und ihr Haar war von
einem warmen Honigblond.
Während
Katherine betroffen zuschaute, reichte die Frau Gavin beide Hände, und er
ergriff sie und hielt sie fest. Seine ebenmäßigen weißen Zähne blitzten auf,
als er lächelte und sich dann galant über die behandschuhten Hände
seiner Begleiterin beugte, um einen Kuß daraufzuhauchen.
»Schon
wieder diese Caroline Raynes«, ertönte eine Stimme neben Katherine, die sie
überrascht zusammenzucken ließ. »Sieh dich lieber vor ihr vor, sie hat es auf
Gavin abgesehen.«
Als
Katherine den Kopf wandte, erblickte sie ein zierliches Mädchen neben sich. Es
hatte dunkles Haar und graue Augen wie Gavin, woraus Katherine schloß, daß
diese Frau ihre Schwägerin sein mußte. Die kleine goldene Anstecknadel am
Mieder ihres schlichten, aber kostspieligen Kleids trug ihren Namen.
»Hallo,
Marianne.«
Mariannes
ganzes Interesse galt der Szene unten im Garten; sie merkte nicht, wie
Katherine sie prüfend musterte und einen raschen Blick auf den Ringfinger ihrer
linken Hand warf, um festzustellen, ob ihre Schwägerin verheiratet war. Aber
Marianne trug keinen Ring.
»Sieh dir
das an«, sagte sie gerade und beugte sich so weit vor, daß ihr Atem die
Fensterscheibe
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