Linda Lael Miller
beschlug. »Wie schamlos diese Frau doch ist!«
Katherine
schaute wider besseres Wissen hin. Caroline stand auf den Zehenspitzen, und
ihre Hände ruhten auf Gavins Rockaufschlägen, während sie ihm lächelnd etwas
ins Ohr flüsterte. Eine solch heftige, primitive Eifersucht durchzuckte
Katherine, daß sie das Fensterbrett umklammerte, um nicht mit der Faust
daraufzuschlagen.
»Natürlich
hast du eine Menge davon dir selbst zuzuschreiben nach dem Skandal, den du
durch deine Affäre mit Jeffrey Beecham ausgelöst hast«, fügte Marianne seelenruhig
hinzu, während sie Katherines Arm nahm und sie vom Fenster fortzog. »Aber komm
jetzt, es wird Zeit, daß du dich für die Taufe anziehst. Du kannst schließlich
nicht in Pantoffeln und Morgenrock daran teilnehmen, oder?«
Die
Vorstellung, dieses Zimmer zu verlassen, und sei es auch nur für kurze Zeit,
besserte Katherines Stimmung augenblicklich. Jedesmal, wenn sie aufgestanden
war, um sich ein wenig Bewegung zu verschaffen, waren immer sofort Dr. Franz
oder eins der Dienstmädchen erschienen, um sie ins Bett zurückzuscheuchen.
»Was soll
ich dazu sagen?« fragte sie verwirrt.
»Ja, was
wohl?« antwortete Marianne und verdrehte die Augen. Sie öffnete eine Tür links
neben dem Kamin, die bisher immer verschlossen gewesen war, wenn Katherine
versucht hatte, sie zu öffnen, und betrat das angrenzende Zimmer. »Als ob du
nicht mehr Kleider hättest als irgendeine andere Frau in Seattle!«
Katherine
folgte ihrer Schwägerin rasch, ließ ihren Blick nach rechts und links schweifen
und versuchte, soviel wie möglich von dem großen Raum zu sehen. »Wer weiß, ob mir
davon etwas paßt«, erwiderte sie zerstreut.
Ein
riesiger Kronleuchter schmückte die hohe Zimmerdecke, und die Vorderfront des
Kamins bestand aus hellem Marmor. Kostbare Orientteppiche bedeckten den Boden,
die Wände waren mit Rosenholz verkleidet, und das Bett war größer als das
Wohnzimmer ihres kleinen Apartments in jenem anderen Seattle.
Katherine
blieb mitten im Zimmer stehen und schaute sich staunend um, während Marianne zu
einem Einbauschrank mit zwei großen Türen ging, ihn öffnete und aus Katherines
Sicht verschwand.
»Unsinn«,
schallte ihre Stimme aus dem Schrank. »Du warst sehr vorsichtig mit dem, was du
gegessen hast, nicht wahr?« rief sie. »Ich glaube, das blaue Taftkleid wäre
genau richtig, meinst du nicht? So, wie es um deinen Ruf bestellt ist, meine
Liebe, wäre es völlig sinnlos, auch nur den Versuch zu machen, Anstand
zu bewahren. Nein, die Gelegenheit erfordert etwas, das beweist, daß du dich
nicht abschieben und vergessen lassen wirst.«
Katherine
zuckte zusammen, als die Eingangstür des Raums aufschwang und Gavin eintrat,
eine schwarze Arzttasche und eine Reitgerte in der einen Hand.
Sein Blick
glitt über ihren zerknitterten Morgenrock und ihr aufgelöstes Haar, mit einer
Art wohlwollender Verachtung, die Katherine mit jäher Wut erfüllte.
»Wo ist
Caroline?« erkundigte sie sich liebenswürdig.
Gavin legte
seine Sachen auf einen Tisch, von dem Katherine dachte, daß er bei einer
Antiquitätenauktion in der modernen Welt ein kleines Vermögen einbringen würde.
»Caroline«, erwiderte er in barschem Ton, »ist zu sehr Dame, um sich auf jene
Art verbotener Rendezvous einzulassen, auf die du dich spezialisiert hast.«
Katherine
spürte, wie sie errötete, und zog unwillkürlich ihren Morgenrock noch fester
um den Körper, als könne sie sich damit schützen.
»Zu sehr
Dame, ha!« warf Marianne ein, bevor Katherine sich eine Antwort überlegen
konnte, warf das zuvor erwähnte blaue Taftkleid ihrer Schwägerin zu und wandte
sich dann, die Hände in die Hüften gestützt, zu ihrem Bruder um. »Für
jemanden, der sich wie du für einen Mann von Welt hält«, sagte sie ganz
unverblümt, »bist du ganz unglaublich naiv.«
Gavin
schaute Katherine an, obwohl er mit Marianne sprach, und seine Miene drückte
unverhohlene Verachtung aus. »Das kann ich nicht abstreiten«, antwortete er, »denn
schließlich habe ich mein Herz einst einer Frau geschenkt, in deren Brust
vermutlich ein eisenharter Stein ruht.«
Tränen
brannten in Katherines Augen, und sie schluckte, um sie zurückzudrängen. Es gab
nichts, was sie dazu hätte sagen können ... jene andere Katherine hatte
offenbar tatsächlich Ehebruch begangen. Aber bei jeder Gelegenheit, wenn sie
Gavin begegnete, ganz gleich, wie selten und flüchtig diese Momente waren,
fühlte sie sich auf unwiderstehliche Weise zu ihm
Weitere Kostenlose Bücher