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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denn dein Herz kennt den Weg
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Katherines Stirnrunzeln hin lächelte sie und sagte: »Machen
Sie sich keine Sorgen. Christopher ist bei seiner Tante, die
froh ist, ihn einmal ganz allein für sich zu haben.«
    Katherine
seufzte. »Danke, daß du mich unterstützt, Maria – und daß du mich vor allem
nicht für verrückt erklärst.«
    Die
alterslosen braunen Augen der Indianerin betrachteten Katherine wohlwollend.
»Sie sind nicht verrückt«, antwortete Maria mit ruhiger Entschiedenheit. »Und
Sie sind auch nicht Katherine Winslow.«

6. Kapitel
    Als
Katherine in Marias
nachdenkliche braune Augen schaute, begriff sie, daß sie eine Freundin gefunden
hatte. Sie war allerdings noch nicht bereit, ihre unverhoffte Ankunft in dieser
Zeit und an diesem Ort zu erklären, weil sie selbst noch nicht ganz verstand,
was eigentlich mit ihr geschehen war. Aber es war ein Trost für sie, zu wissen,
daß es wenigstens einen Menschen gab, der möglicherweise ein offenes Ohr für
eine so merkwürdige Geschichte haben würde.
    Danach
schauten beide Frauen in einverständlichem Schweigen zu, wie die Küste langsam
verschwand, als das dampfbetriebene Boot in die Bucht hinausglitt und Kurs auf
Vashon Island nahm. Weiße und graue Möwen zogen kreischend ihre Kreise über
ihnen, und das Meer war blau wie Tinte unter einem wolkenlosen Himmel, an dem
die Sonne ihren gleißend hellen Schein verströmte.
    Katherine
war fasziniert von der immer kleiner werdenden Silhouette ihrer Heimatstadt.
Keine Wolkenkratzer aus Glas und Stahl ragten in den Himmel auf, und auf den
Straßen fuhren Kutschen und Pferdewagen statt Automobile.
    Sie
lächelte. »Es ist wie im Film«, sagte sie.
    Maria
runzelte die Stirn. »Was?«
    Katherine
tätschelte beruhigend Marias Hand. »Das erkläre ich dir ein andermal« versprach
sie.
    Schließlich
erreichte das Boot Vashon Island, wo bereits eine Kutsche die Winslows
erwartete, zusammen mit einem Pferdekarren, auf dem das Gepäck befördert werden
sollte.
    Katherine
war genauso fasziniert von der Insel, wie sie es von der Stadt gewesen war. Als
sie durch eine kleine Ortschaft
fuhren, entdeckte sie einen Krämerladen, eine Schmiede und einen malerischen,
ganz aus Natursteinen erbauten Leuchtturm. Für sie war die Welt ein einziges
großes Museum zum Anfassen geworden.
    Das > Sommerhaus < der Winslows, das direkt am Strand lag, war nicht weniger
beeindruckend als das prächtige Herrenhaus, das sie in der Stadt bewohnten.
    Es war ein
riesiges Bauwerk aus weißgetünchtem Backstein, mit unzähligen Balkonen und
Terrassen. Etwa einen halben
Meter unter dem höchsten Giebel erglühte ein achteckiges,
bleiverglastes Fenster unter dem Sonnenlicht, sich in seinen bunten Scheiben
widerspiegelte. Überall blühten Rosen, es gab Gartenlauben, Bänke und Springbrunnen,
und zwei Reihen anmutiger Trauerweiden säumten wie eine Ehrengarde die
kiesbestreute Allee, die zum Haus hinaufführte.
    Obwohl
Katherine nicht glücklich darüber war, auf die Insel verbannt worden zu sein,
war sie doch entzückt von diesem
wundervollen Haus. Sein bloßer Anblick allein weckte in ihr ein solch
tiefempfundenes Gefühl der Heimkehr, daß ihr die Tränen kamen.
    Während sie
sich bemühte, sie zurückzudrängen, sagte sie leise: »Es ist wunderschön.«
    Marianne
hatte nicht einmal einen Blick aus dem Kutschenfenster geworfen. »Du benimmst
dich wirklich äußerst sonderbar in letzter Zeit, Katherine. Du sprichst, als
hättest du das Sommerhaus noch nie gesehen, und dabei bist du hier getraut
worden!«
    Katherine
warf ihrer Schwägerin einen hilflosen Blick zu, biß sich aber auf die Lippen
und ignorierte Mariannes Bemerkung.
Was hätte sie auch schon darauf erwidern können, was sie nicht in Gefahr
gebracht hätte, in irgendein finsteres Irrenhaus des neunzehnten Jahrhunderts
eingewiesen zu werden?
    Wenn
Marianne wüßte, an wie viele Dinge ich mich nicht > erinnern < kann, dachte Katherine. Was mochte
aus Gavins und Mariannes Eltern geworden sein? Oder – was das betraf – aus
ihren eigenen? War jene andere Katherine in einer glücklichen Familie aufgewachsen,
mit Brüdern und mit Schwestern, oder war sie das einzige Kind gewesen? Und
warum war eine hübsche junge Frau wie Marianne nicht verheiratet?
    Die Fragen
waren praktisch unerschöpflich, und Katherine hoffte, daß die Briefe und
Tagebücher, die Maria für sie mitgebracht hatte, ihr wenigstens auf einige von
ihnen eine Antwort geben würden.
    Als die
Kutsche über das Kopfsteinpflaster der Einfahrt ratterte, erwachte

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