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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denn dein Herz kennt den Weg
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Obstgarten zum Strand hinunterging, hörte sie das leise,
gleichmäßige Rauschen der Brandung, und dieses Geräusch weckte eine Zuversicht
in ihr, wie sie sie schon sehr lange nicht mehr empfunden hatte.
    Eine Weile
schlenderte sie am Strand entlang, entzückt über alles, was sie sah und spürte,
roch und hörte – das blaue Meer, den feuchten, groben Sand, die frische, salzhaltige
Luft und das schrille Kreischen der Möwen, die über ihr ihre Kreise zogen. Als
sie einmal eine Austernbank entdeckte, blieb sie stehen, beschattete ihre
Augen vor der grellen Sonne und überlegte, ob irgendwelche dieser groben
Muschelschalen Perlen enthalten mochten.
    Nach einer
Weile begann sie zu ermüden und kehrte in den Obstgarten zurück. Als sie einen
Baum mit einem niedrigen, soliden Ast fand, von dem sie einen guten Ausblick
auf das Meer hatte, kletterte sie hinauf. Dann, ihre langen Röcke sittsam unter
sich gerafft, zog sie das erste der Tagebücher aus der Tasche und begann zu
lesen.
    Die Verfasserin
des Tagebuchs war nach einer Reise nach Hongkong zum ersten Mal nach Seattle
gekommenen. Auf einer Gesellschaft hatte sie Dr. Gavin Winslow kennengelernt,
den sie in ihrem Tagebuch als > gutaussehend, aber furchtbar ernst < beschrieb. Sie hatte auch nicht vergessen, zu vermerken, daß er ein
beträchtliches Vermögen von seinem Vater geerbt hatte, der einer der ersten > Holzbarone < in der Gegend um Seattle gewesen war – eine Tatsache, die
jene andere Katherine offenbar als Ausgleich dafür akzeptierte, daß Gavin nur
den bescheidenen Beruf eines Arztes ausübte.
    Als
Katherine weiterlas, begannen ihre früheren Vermutungen sich zu bestätigen.
Gavins junge Braut war nicht nur eine schamlose Verführerin gewesen, die es
geradezu darauf angelegt hatte, ihren Mann vor den Augen der ganzen Welt zu
demütigen, sondern auch ein sehr einsames, verwirrtes Kind. Sie hatte jedermanns Liebe und Aufmerksamkeit gebraucht, nicht nur die ihres Ehemannes. Wenn
die Leute sie nicht beachteten, so hatte sie geschrieben, fühlte sie sich, als
sei sie unsichtbar, und begann manchmal sogar an ihrer eigenen Existenz zu
zweifeln. Oft versank sie in > schwarze Melancholie < und wünschte allen
Ernstes, nie geboren zu sein.
    Ihr Name
schallte durch die warme, salzhaltige Brise. »Katherine! Kaaathy!«
    Es war
Marianne.
    Katherine
schloß das Tagebuch, steckte es in ihre Rocktasche und stieg vom Baum. Ihre
Geschicklichkeit in dieser Hinsicht war ein Mitbringsel aus jenem anderen
Leben, das sie auf der anderen Seite der Kristallbrücke geführt hatte. Dort war
sie schon als Kind ein unverbesserlicher Wildfang gewesen.
    Als
Katherine den Boden erreichte und sich umwandte, um auf ihre Schwägerin
zuzugehen, sah sie, daß die junge Frau sie fassungslos anstarrte. »Katherine,
warst du da oben in dem Baum?« fragte sie ungläubig.
    »Warum
fragst du?« antwortete Katherine freundlich. »Du hast mich doch gesehen.«
    »Aber du
hast so etwas doch noch nie getan!« Katherine lächelte. »Jetzt tue ich es.«

7. Kapitel
    Katherine und Marianne nahmen das Mittagessen
auf der geschützten Gartenterrasse ein, und Maria leistete ihnen dabei
Gesellschaft. Katherine war geistesabwesend wie schon am Abend zuvor beim
Dinner; sie konnte an nichts anderes mehr denken als an das Tagebuch, das sie
in der Tasche ihres Kleids verborgen hielt.
    Die
plötzliche Erkenntnis, die ihr bei all ihren geheimen Überlegungen einmal kam,
erschütterte sie so heftig, daß sie klirrend den Suppenlöffel fallen ließ und
einen leisen Schrei ausstieß.
    »Entschuldigt
mich bitte«, stieß sie hervor, während sie ihren Stuhl zurückschob und sich
rasch erhob.
    Die anderen
beiden Frauen schienen sehr verblüfft über ihr seltsames Verhalten.
    »Alles in
Ordnung, Katherine?« fragte ihre Schwägerin besorgt.
    Doch
Katherine nickte nur und eilte rasch ins Haus. In dem großen, sehr maskulin
eingerichteten Arbeitszimmer gleich neben der großen Eingangshalle fand sie,
was sie suchte: einen Schreibtisch, Papier, ein Fäßchen Tinte und eine Feder.
    Während sie
in dem bequemen Ledersessel am Schreibtisch Platz nahm, zog sie mehrere
Blätter feinstes Bütten aus der Schublade. Nachdem sie das Papier auf dem
polierten Holz zurechtgelegt hatte, öffnete sie das Tmtenfäßchen, tauchte die
Feder ein und begann in fieberhafter Hast zu schreiben.
    Wachsende
Erregung erfaßte sie, als sie einen inhaltlich vollkommen bedeutungslosen Satz
nach dem anderen niederschrieb. Erst als ihre Hand ermüdete,

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