Linda Lael Miller
wird.«
So gern
Lincoln sich gegen diese Behauptung gewehrt hätte, er konnte es nicht. Denn Wes
hatte recht. Um Dawson hatte er ganz normal getrauert, doch seit Beth' Tod
hatte er einige Gefühle einfach weggeschlossen, aus Angst, dass sie zu sehr
schmerzten.
»Und was
schlägst du vor?«, fragte er ruhig, um es hinter sich zu bringen. Wes würde es
ihm sowieso sagen, er hatte sich ziemlich in Rage geredet.
»Weißt du
noch, wie anders Pa war, als wir noch klein waren? Er hat uns auf den Schultern
durch die Gegend getragen, und wir durften so ziemlich überall mit ihm hin.
Erinnerst du dich, wie er immerzu gelacht hat, selbst wenn er schuften musste
wie ein Maultier? Damals hätte er nie geglaubt, dass er uns allen eines Tages
den Rücken kehren würde. Aber so war es. Und weißt du warum, Lincoln? Weil er
beschlossen hatte, eine tote Frau zu lieben und nicht die lebendige, atmende
Frau neben sich. Es hat eine Weile gedauert, aber diese Entscheidung, diese
starrköpfige Entscheidung hat sein Herz und seine Seele vergiftet.« Wes hielt
einen Moment inne, vielleicht wegen der Erinnerungen, vielleicht weil er nach
Worten suchte. »Vergessen wir mal Juliana. Sie ist hübscher als Ma, und sie ist
viel klüger. Sie kommt schon zurecht, selbst wenn du dumm genug wärst, ihr dein
Herz nicht zu öffnen. Aber was ist mit Gracie? Sie hat schon jetzt ihren
ei genen Kopf, dabei ist sie erst sieben. Was meinst du wohl, wie sie mit
sechzehn sein wird? Oder mit achtzehn? Bis dahin wird sie eine Menge
Entscheidungen treffen, und ich kann dir garantieren, dass dir einige davon
überhaupt nicht gefallen werden. Es ist unvermeidlich, dass ihr zusammenrasseln
werdet. Ich schätze, das ist nur normal. Aber wenn du nicht aufpasst, wirst du
deine Tochter eines Tages vielleicht genauso behandeln wie Pa uns. Willst du
das?«
Lincolns
Hals war wie zugeschnürt. Er schüttelte den Kopf.
Wes war nun
doch die Puste ausgegangen. Er trieb sein Pferd mit den Stiefeln an und ritt
zurück zum Haus, um die Geschenke abzuladen und seinen Esel zu holen.
Und
Lincoln, der das Telegramm trotz allem keine Sekunde lang vergessen hatte,
wartete einen Moment, bevor er ihm folgte.
Juliana, die Rose-of-Sharon und dem Baby
Joshua einen kurzen Besuch abgestattet hatte, überquerte gerade den Hof, als
sie sah, wie ihr Schwager seinen Esel aus dem Stall führte. Tom trug prall
gefüllte Leinensäcke in den Holzschuppen.
Da sie
Weston Creed mochte, ging sie zu ihm, um ihn zu begrüßen.
Er lächelte
sie an, doch seine Augen wirkten ernst, fast traurig. »Mein Bruder«, sagte er, »ist
ein Glückspilz.«
Weil sie an
Komplimente nicht gewöhnt war, errötete sie. Lehrerinnen bekamen üblicherweise
nicht viele zu hören. »Wir haben zwei große Truthähne für das Weihnachtsessen«,
sagte sie unsicher. »Ich hoffe, Sie schließen sich uns an.«
Wes schlang
ein Seil um den Hals des Esels, dann schaute er zum Haus. »Ist Kate auch
eingeladen?«, fragte er und ging, ohne auf die Antwort zu warten, zu seinem
Pferd, um das andere Ende des Seils locker um den Sattelknauf zu legen.
»Selbstverständlich«,
erwiderte Juliana.
»Wissen Sie
irgendetwas über sie?«, fragte Weston. Obwohl seine Frage fast beiläufig klang,
war sie es nicht. Das wusste Juliana.
»Ich
vermute, sie ist Ihre Frau.«
Sein Lachen
klang bitter. »Etwas in dieser Art. Kate gehört der Diamond Buckle Saloon. Sie
und ich leben nun schon seit einiger Zeit in Sünde.«
»Oh«, stieß
Juliana aus. Sie fand es faszinierend, so eine schillernde Persönlichkeit
kennenzulernen, aber vielleicht hätte sie zuerst Lincoln fragen sollen.
»Ja«,
bestätigte Weston trocken. »Oh.«
Julianas
Wangen brannten vor Verlegenheit. Als sie Lincoln gebeten hatte, Daisy und
Billy-Moses baden zu dürfen, hatte er gesagt, das Haus wäre nun auch ihr Heim
und sie bräuchte nicht um Erlaubnis zu bitten. Hoffentlich meinte er das auch
in anderer Hinsicht so.
»Wir werden
etwa gegen zwei Uhr essen«, verkündete sie. Da sie den Truthahn nicht
zubereiten würde, konnte sie wegen der Uhrzeit nur raten. »Aber egal wann Sie
und Kate ankommen, wir werden uns freuen, Sie zu sehen.«
Dann ging
Wes um das Pferd herum und blieb direkt vor Juliana stehen. Sein Mund,
sinnlich wie der von Lincoln, war leicht verzogen. »Ist Ihnen klar, Mrs Creed,
dass in dem Moment, in dem Kate einen Fuß über die Schwelle setzt und meine
Mutter davon erfährt, vermutlich die Decke einstürzen wird?«
Ohne Cora
Creed je getroffen zu haben,
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