Linda Lael Miller
ich. Wie Samuel. Oder
Gideon.«
Gabriel
starrte das Kind mit einer derartigen Faszination an, als hätte er einen
makellosen Edelstein vor sich. »Gideon McKeige ... Ja, das gefällt mir.«
»Gut. Dann
also Gideon«, sagte Annabel. »Gib mir bitte unseren Sohn. Du hast ihn jetzt
lange genug gehalten.«
Ein bißchen
widerstrebend legte Gabriel den kleinen Gideon in die Arme seiner Mutter. »Du
hast ihn neun Monate gehabt«, gab er zu bedenken.
»Was hat
Nicholas zu seinem Brüderchen gesagt?«
Gabriel
grinste. »Er war sehr beeindruckt. Und er möchte dich gern sehen, sobald du
dich dazu in der Lage fühlst.«
Annabel
bewunderte das Baby, das sie und Gabriel zusammen geschaffen hatten, und dachte
voller Stolz an den jungen Mann, der unten wartete. »Bitte sag Marshal McKeige,
daß ich mich über einen Besuch sehr freuen würde«, sagte sie gähnend. »Einen
kurzen allerdings nur, fürchte ich.«
Gabriel
nahm Gideon, der jetzt schlief, und legte ihn behutsam in die Wiege neben dem
Bett. Dieselbe Wiege, in der einst Nicholas geschlafen hatte und Susannah, und
eine Generation zuvor schon Gabriel.
Dann ging
er zur Tür und ließ seinen Sohn herein, der draußen schon gewartet hatte, bevor
er selbst hinausging.
Nicholas
sah unglaublich gut aus, fand Annabel, wie er da an der Tür stand, den Hut in
der Hand und den funkelnden neuen Marshalstern am schwarzen Staubmantel. Es
regnete, fiel ihr jetzt zum ersten Mal auf, und Donnergrollen erschütterte das
Haus.
»Alles in
Ordnung?« fragte Nicholas unsicher.
»Ja«,
erwiderte Annabel lächelnd. »Komm her.« Einladend klopfte sie auf die Matratze
neben sich, und er kam, ihr tapferer Gesetzeshüter, und setzte sich.
»Er wird
dir sehr ähnlich sein«, begann sie. »Dein Bruder Gideon, meine ich.«
Nicholas'
grinste. »Er ist schließlich ein McKeige«, meinte er stolz.
Annabel
lächelte und berührte die frischrasierte Wange ihres Ältesten. »Vor zwanzig
Jahren, in diesem Bett und diesem Zimmer hier, habe ich einen anderen kleinen
Jungen zur Welt gebracht«, sagte sie. »Er wuchs zu einem Mann auf, auf den jede
Mutter stolz sein könnte. Ich liebe dich, Nicholas. Ich habe alles getan, was
ich konnte, um mich mit dir zu versöhnen. Wird es nicht langsam Zeit, daß du
mir verzeihst?«
Nicholas
wandte den Blick ab und schaute sie dann wieder an. »Ich habe dir schon vor
einiger Zeit verziehen, Mutter«, sagte er, »damals in Wedding Bells Spring, als
Jeffrey Braithewait dich fast erschossen hätte. Ich war nur bisher noch nicht
dazu gekommen, es dir zu sagen.«
Annabels Augen
schimmerten von Tränen; es war der Tag der Wunder. Ein Sohn, der so sehnsüchtig
erwartet worden war, war endlich zur Welt gekommen, und der andere hatte ihr
jenes Geschenk gemacht, das sie sich am innigsten von ihm gewünscht hatte: das
Wort »Mutter«, mit Zuneigung und Respekt ausgesprochen.
Nicholas
nahm ihre Hand und küßte sie wie ein Gentleman. »Ruh dich jetzt aus«,
entgegnete er mit rauher Stimme. »Gideon wird dich ganz schön in Anspruch
nehmen, und du mußt ja auch noch Pa aufziehen.«
Damit erhob
er sich, trat neben die Wiege, um lächelnd seinen kleinen Bruder zu betrachten,
und ging dann still hinaus.
»Ich
möchte noch ein
Baby«, sagte Annabel ein Jahr später, als sie in ihrer berühmten Badewanne lag
und lächelnd zu ihrem Mann aufschaute, der sich am Waschbecken rasierte.
Gabriel
drehte sich verwundert zu ihr um. »So wie du geschrien hast, als Gideon kam? Du
mußt verrückt sein.«
Sie hob ein
wohlgeformtes Bein aus dem duftenden Schaum der Wanne und betrachtete ihre
Zehen. »Alle Frauen schreien«, sagte sie. »Wir sollten ein Mädchen haben. Denn
so, wie es ist, seid ihr Männer in der Überzahl, vor allem, nachdem Olivia und
Nicholas uns einen Enkel geschenkt haben.«
Gabriel
lächelte bei der Erwähnung von Nicholas' und Olivias drei Monate altem Sohn,
John Henry. »Glaubst du nicht, wir sollten jetzt allmählich aufhören, nachdem
wir Großeltern geworden sind?«.. scherzte er.
»Niemals«,
erwiderte Annabel entschieden. »Komm her, McKeige.«
»Ich denke
ja nicht daran. Du machst mich dann nur naß, und es ist schon neun Uhr morgens.
Ich habe heute viel zu tun.«
»In deinem
Saloon?« erkundigte Annabel sich spitz. »Gewöhn dich nur nicht zu sehr daran,
Gabriel. Eines Tages werde ich dieses Lokal nämlich in Brand setzen.«
»Wenn du
das tust«, versetzte Gabriel, »nehme ich dich am hellichten Tag in der Scheune
auf einem Faß.«
Annabels
Mund verzog
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