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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Preis des Verlangens
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nickte
und gestattete sich ein Lächeln, das Gabe ein wenig an Nicholas' mutwilliges
Lächeln erinnerte. »Ich habe ihn Charles genannt, nach meinem Vater, und er
wuchs zu einem wunderbaren Mann auf. Zu einem Schamanen, unter anderem.«
    »Charles?«
Gabe drehte den Stuhl um und ließ sich rittlings darauf nieder. Alle Stärke
hatte ihn verlassen. »Charlie?«
    Sie lachte
leise, und ihre Augen leuchteten. »Du hast es nie erraten?«
    Er schaute
tief in sein Innerstes und erkannte, daß er es gewußt hatte, irgendwie.
Charlie war immer mehr ein Bruder als ein Freund für ihn gewesen, und auch für
Nicholas gehörte er zur Familie. Und für Annabel. »Wußte Nicholas davon?«
    Sie
seufzte. »Er konnte es sich vermutlich denken. Charlie hat ihn sehr oft
hergebracht, aber wir haben ihm nie die ganze Geschichte erzählt. Es war schwer
genug für einen kleinen Jungen, seinem Vater etwas zu verheimlichen. Nicholas
vergöttert dich, Gabriel. Ich hoffe, daß dir das klar ist.«
    Gabe
schluckte einen Kloß von der Größe eines Apfels. »Und dein ... Mann? Was ist
aus ihm geworden?«
    »Graue
Wolke ist vor zehn Jahren gestorben, und danach war für mich kein Platz mehr in
seinem Stamm. Die Weißen hätten mich natürlich auch nicht akzeptiert, und
deshalb half Charlie mir, diese Hütte hier zu bauen, in der ich seitdem lebe.«
    Nicholas'
Lider flatterten; er schlug die Augen auf und schaute zuerst seine Großmutter
und dann Gabriel an. Dann blinzelte er und begann noch einmal ganz von vorn.
    »Oh,
Shit!«, sagte er, als er sicher sein konnte, daß es keine Halluzination war.
    »Das kannst
du laut sagen, Junge«, versicherte Gabe ihm. »Du steckst nämlich bis zum Hals
darin.«
    Louisa
strich die Decke ihres Enkels glatt und richtete sich auf. »Es ist nicht fair,
Nicholas die Schuld zu geben«, sagte sie zu Gabe. »Ich habe ihn schwören
lassen, daß er weder dir noch Jessie je erzählte, daß ich hier war.«
    Nicholas
grinste schon wieder, und der Anblick war wie Balsam für Gabes wunde Seele.
Charlie – sein Bruder – hatte Nicholas mit seinen Kräutern und seinen
geheimnisvollen Gesängen das Leben gerettet. Und nur das allein war
wichtig, ganz gleich, was sonst geschehen war.
    »Nicholas
erzählte mir, daß Annabel zurückgekehrt ist«, sagte Louisa, als sei es etwas
ganz Alltägliches für eine Mutter, so zu tun, als hätten Indianer sie
entführt, und ihre Kinder dreißig Jahre lang in diesem Glauben zu belassen. Als
ob es nichts mehr dazu zu sagen gäbe. »Ich hoffe, daß du diesmal nicht ganz so
dumm und stur bist, Gabriel. Ich glaube nämlich nicht, daß es irgendeine andere
Frau auf Erden gibt, die besser zu dir passen würde.«
    Ein wenig
unsicher erhob sich Gabriel von seinem Stuhl. »Entschuldigt mich«, murmelte er.
»Ich muß nach draußen.«
    Charlie
lehnte an der Hüttenwand, die Arme über der Brust verschränkt und die Pistole
in der Hand, und beobachtete den Rand des Waldes.
    »Du hättest
mir sagen können, daß du mein Bruder bist«, meinte Gabe mit rauher Stimme.
    Charlie
schaute ihn belustigt an. »Das war nicht nötig. Es war auch so schon schwer
genug, nach dir zu sehen, vor allem, nachdem Annabel fortgegangen war, ohne
dich auch noch auf die Idee zu bringen, wir sollten die gleichen Sachen tragen
oder so. Außerdem hätte ich nichts sagen können, ohne meine – unsere Mutter zu
verraten.«
    »Es wird
wohl noch eine Weile dauern, bis ich das alles verarbeitet habe«, räumte Gabe
ein. Er fühlte sich ausgesprochen unbehaglich; fast zwanzig Banditen lauerten
irgendwo dort draußen zwischen den Bäumen und gierten nach Nicholas' Blut.
    Charlie
lachte. »Ich hatte mehr Zeit, mich damit abzufinden«, sagte er.
    »Sie könnten
sich von hinten anschleichen«, meinte Gabe und bezog sich damit natürlich auf
die Banditen. »Was für ein miserabler Indianer bist du eigentlich,
daß du nicht schon von selbst auf die Idee gekommen bist?«
    »Ich bin
zur Hälfte weiß«, antwortete Charlie achselzuckend. »Das dürfte die Erklärung
dafür sein.«
    »Ich gehe
nach hinten«, erklärte Gabe und wandte sich ab, um zum Eingang der Hütte seiner
Mutter zurückzugehen. »Du kannst den Eingang bewachen. Und komm jetzt endlich
herein, verdammt noch mal, bevor sie dir eine Kugel in den Schädel jagen!«
    Die Warnung
war prophetisch; Charlie hatte kaum die Tür hinter ihnen zugezogen, als aus dem
Wald ein Schuß erklang und eine Kugel in die Hüttenwand einschlug.
    »Es geht
los!« schrie Nicholas und ließ den Zylinder

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