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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
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Menschenhand geschaffen, aber die Natur hat ihren eigenen Klang dazugegeben. Ein wunderbarer Klang, für den man Ruhe braucht, um ihn zu hören.“
    Magarete betrat die Lindenallee und vergaß schlagartig die Anwesenheit von Steffen und Paula. Immer, wenn sie durch die Lindenallee schritt, war es ihr, als flüsterten die Bäume ihr einen Willkommensgruß zu. Und es war lange her, seitdem sie das letzte Mal hier gewesen war.
    Die Bäume vermittelten ihr eine wunderbare Ruhe, die nur die Natur auszustrahlen vermochte. Was hatte sie auch schon zu befürchten? Menschen kamen und gingen, die Bäume aber überdauerten die Zeit. Einzig Friedrich hatte diesem einen Baum etwas auf seinem Lebensweg mitgegeben, als er ein Herz mit zwei Initialen einritzte. Dieser Baum war nun das Ziel von Magarete, die traumwandlerisch durch die grüne Allee schritt.
    Paula und Steffen folgten ihr in einigem Abstand. Paula hatte von sich aus die Hand von Steffen ergriffen und klammerte sich förmlich an ihr fest.
    „Ich hoffe so sehr, dass es richtig ist, was wir hier tun“, flüsterte Paula leise.
    Steffen drückte ihr zusprechend die Hand. „Ich glaube es ist richtig. Nur noch ein paar Minuten, dann wissen wir es. Es ist gleich 16:00 Uhr“, sagte er mit einem Blick auf seine Armbanduhr.
    Magarete hatte ihren Baum erreicht und umkreiste ihn. Ihre Hand ruhte auf dem Stamm, in dem das Herz und die Buchstaben M + F eingeritzt waren. Steffen und Paula beobachteten Magarete stumm, deren Augen hell leuchteten.
    „Dieses Herz zählt für mich mehr, als jedes Schmuckstück, das mir Friedrich hätte schenken können.“
    Die Turmuhr der Kirche schlug vier Mal. Paula schluckte, jetzt war es soweit: die verabredete Uhrzeit. Sie zwang sich, nicht allzu hektisch die Allee hinunterzublicken. Sie mochte sich nicht ausmalen, wie sie damit fertig werden würde, wenn Friedrich es sich anders überlegt hatte. Steffen unterhielt sich indes mit Magarete, aber Paula verstand kein Wort. In ihren Ohren rauschte das Blut und sie fühlte sich einem Hörsturz nahe.
    Die Sonne durchflutete die Lindenallee und im Licht- und Schattenspiel konnte Paula bis zum Ende der Allee nicht viel ausmachen. Sie kniff die Augen zusammen. Kam dort hinten nicht eine Gestalt? Sie hielt den Atem an und drückte unbewusst die Hand von Steffen. Damit unterbrach sie das Gespräch der Beiden. Paula starrte die Lindenallee hinab, Steffen folgte ihrem Blick und begann zu lächeln. Paula hatte es geschafft, denn die schmale Person am Ende der Allee konnte nur Friedrich sein.
    Magarete bemerkte, dass Steffen und Paula von etwas sehr eingenommen waren. Sie kam hinter ihrem Baum hervor und spähte in dieselbe Richtung. Sie sah eine Person, eindeutig ein älterer Mann, auf sie zukommen. Sie bedeckte mit der flachen Hand die Augen, um sich vor den Sonnenstrahlen zu schützen. Langsam trat sie auf den schmalen Weg, der sich durch die Lindenallee schlängelte.
    Sie vergaß, wie sie hergekommen war und dass Paula und Steffen neben ihr standen. Der leichte Frühlingswind zog an ihrer Kleidung. Aus ihrem Haarknoten lösten sich Haarsträhnen und flatterten aufgeregt im Wind, während sie regungslos verharrte und die Lindenallee hinunterstarrte. Der Mann, der dort kam, war eindeutig nicht mehr jung. Die Statur war leicht gekrümmt, aber dieser Gang! Magarete erschauerte, denn diesen Gang kannte sie. Er war unverwechselbar und einmalig in der ganzen Welt.
    Wie in Zeitlupe setzte sie sich in Bewegung, auf diesen Mann zu, der sich mit sicheren Schritten näherte. Die Haare wehten ihm ins Gesicht, die Hände steckten lässig in den Hosentaschen, während sein Gang leicht schaukelnd wirkte. Auf seinem Gesicht tauchte ein spitzbübisches Lächeln auf und seine grünen Augen funkelten bei ihrem Anblick.
    Magarete fühlte sich der Atemluft beraubt und bemerkte nicht, wie die Vögel in den Bäumen ihre Frühlingslieder unterbrachen und gebannt dem Ereignis zusahen. Ihr Herz pochte laut in der Brust, so wie sie es nie wieder für möglich gehalten hatte. Sie fühlte sich um Jahrzehnte in die Zeit zurückversetzt, als sie jung und das erste Mal verliebt gewesen war. Schmetterlinge tanzten in ihrem Bauch.
    Friedrich hielt auf Armeslänge vor ihr an und ein warmes Lächeln bezauberte sie aufs Höchste. Sie fühlte sich wie ein junges, verschüchtertes Mädchen. Er sprach zuerst.
    „Meine Magarete.“ Er seufzte tief. „Wie sehr habe ich mir gewünscht, dich wiederzusehen. Meine Wünsche sind in Erfüllung

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