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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
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berührte sie leicht am Arm. „Alles in Ordnung?“ Paula klang sehr besorgt, denn sie konnte erahnen, welche Gefühle in Magarete hochkamen.
    „Ja“, sie rang nach Worten, „es ist alles nur so anders.“ Sie ließ den Blick umherschweifen, während zwei kleine Kinder auf Fahrrädern hinter dem Haus hervorkamen und offenbar um die Wette fuhren. Als sie an ihnen vorbeirasten, riefen sie ihnen überdreht ein „Hallo“ zu, ehe sie rückseitig verschwanden. Das unbeschwerte Lachen zauberte ihnen ein Lächeln ins Gesicht.
    Magarete fand aus ihrer Erstarrung und straffte die Schultern. „Es ist ganz anders. Hier, wo die Autos stehen, hatten wir früher eine gemütliche Sitzecke. Hannes und ich haben hier im Hof unsere Hochzeit mit der Familie nachgefeiert.“
    Magarete wurde durch weitere Kinder auf ihren Fahrrädern abgelenkt, die die Straße hinabkamen und ebenfalls hinterm Haus verschwanden.
    Magarete lächelte befreit. „Es ist schön zu sehen, wie viel Leben in diesem Haus zu sein scheint. Früher war es bei uns ebenso lebhaft.“ Ihr Blick ruhte einen Moment zum Abschied auf dem ehemaligen Hof ihrer Eltern, dann drehte sie sich rasch um und stieg die Straße hinauf. Paula war überrascht, wie schnell sich Magarete abwandte.
    „Warte Magarete. Willst du nicht fragen, ob du ins Haus schauen kannst?“
    Magarete schüttelte den Kopf. „Nein, ich möchte nicht. Da drinnen sieht bestimmt alles anders aus, als in meiner Erinnerung. Und wenn ich ehrlich bin, ist das schon lange nicht mehr mein zu Hause. Ich bin in Braunschweig daheim. Hiermit verbinde ich meine Kindheit und Jugendzeit. Es war eine schöne Zeit, aber sie ist vorbei.“
    Steffen war die ganze Zeit im Hintergrund geblieben, aber eine Frage interessierte ihn nun brennend. „Was ist mit deiner Familie? Ich meine die Kinder deiner Geschwister. Leben sie hier?“
    Magarete blieb stehen, damit Steffen zu ihr aufschloss und gemeinsam setzten sie den Weg fort. „Einige leben hier auf den Dörfern, andere sind weggezogen. Ich sehe sie eher selten.“ In ihrer Stimme lag kein Groll, vielleicht ein Hauch des Bedauerns.
    „Vermisst du deine Familie, ich meine, besonders die Kinder?“, fragte er sanft nach.
    Magarete überlegte einen Augenblick. „Nicht wirklich. Ich denke, bei eigenen Kindern wäre es anders gewesen. Ich war mir zeitlebens selbst genug, beziehungsweise mein Mann und ich.“ Sie bemerkte, wie komisch das klang. „Versteh mich nicht falsch. Familie hatte immer einen hohen Stellenwert für mich, aber ich genoss auch die Zeiten alleine. Die allerschönste Zeit hatte ich mit Hannes. Wir besaßen viele gemeinsame Interessen, wie Fahrrad fahren oder andere Städte und Länder zu erkunden. Wir richteten unser Leben zwangsläufig ohne Kinder ein, als klar war, ich würde keine bekommen. Es gefiel uns, was wir taten. So gesehen, vermisse ich nichts.“
    „Mir kam es auch nie so vor, als ob du dich je einen Tag in deinem Leben gelangweilt hättest“, ergänzte Steffen.
    „Das stimmt. Die letzten Jahre sind zwar ruhiger geworden, weil ich nicht mehr so lange gehen kann, aber bis jetzt war ich noch jeden Tag bei Wind und Wetter draußen.“
    Paula sah Magarete verdattert an. Magarete erhaschte ihren Gesichtsausdruck und bedachte sie mit einem vergnüglichen Blick.
    „Ja, Paula, während du noch im Bett liegst, habe ich meinen morgendlichen Spaziergang schon längst hinter mir. Bis auf den Tag, an dem Hannes starb, war ich jeden Tag draußen. Mir würde sonst nämlich die Decke auf den Kopf fallen.“
    „Und daher deine gute körperliche Verfassung“, lobte Steffen mit einiger Bewunderung. „Wenn ich mit Mitte Achtzig noch so gut drauf bin, Hut ab.“
    Sie erreichten die Hauptstraße, die sich wie jeher kopfsteingepflastert durch das Dorf schlängelte und von einer verdeckenden Asphaltschicht verschont geblieben war.
    Magarete gab die Richtung nach rechts vor. Sie stiegen leicht bergan und zu linker Hand begleitete sie auf der anderen Straßenseite, die hohen Mauern des Rittergutes. Magarete dachte daran, wie oft sie mit Heinz hier entlanggegangen war. Wie lange das schon her war, dabei kam es ihr wie gestern vor. Sie blieb stehen, wandte den Blick vom Rittergut ab und ging auf ein Haus rechter Hand zu. An dem weißgetünchten Fachwerkhaus wies ein Schild eine Töpferei aus. An der Außenwand hingen farbenfrohe Plastiken, die dem Betrachter sofort ins Auge stachen. Magarete stieg die Stufen zur Ladentür hinauf und warf einen Blick

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