Lindenallee
die Strähnchen fertig ziehen, dann der Haarschnitt vollendet und abschließend die Frisur mit einem Fön gestylt werden. Geschlagene zwei Stunden später hat sie uns abgeholt.“ Steffen lächelte vergnügt. „Ihr Navi hat unseren Standort nicht finden können. Ich glaube sie braucht dringend ein Software-Update. Wie dem auch sei, wir also zurück. Ich habe mein Fahrrad in den Keller gestellt, wo es vermutlich solange ungeflickt stehen bleibt, bis sich jemand erbarmt und es für mich tut.“ Seine Augen funkelten vergnügt. „Und jetzt bin ich hier, nachdem ich mir eine schnelle Katzenwäsche gegönnt habe.“
Paula schmunzelte. Steffen wirkte gelöst und begeistert von dem Ausflug, trotz Reifenpanne.
„Reifen flicken ist auch nicht meine Sache, aber um die Ecke ist ein Fahrradladen. Die machen das schnell und preisgünstig. Wenn dich nicht stört, dass die meisten tätowiert sind und dich wie selbstverständlich mit „du“ anreden werden?“
„Wenn ich dich nicht hätte, wäre ich aufgeschmissen. Danke mein Schatz.“ Er drückte ihr einen lauten Schmatzer auf den Mund und umarmte sie. Sie ließ ihn einen Moment gewähren, aber jetzt war nicht die Zeit zum Kuscheln.
„Was ist mit der Überraschung von der du sprachst?“ Sie machte dabei ein unschuldiges Gesicht und sprach betont nebensächlich.
„Ach, ihr Frauen! Kaum erwähnt man das Wort Überraschung, ist alles andere unwichtig.“ Seine Aufregung wirkte gespielt, wobei sich um seine Augen kleine Lachfältchen bildeten. „Na gut.“ Er stand auf. „Es geht nach draußen. Bitte warm anziehen und dann geht es los.“
„Wir gehen nach draußen?“
„Ja.“
„Draußen ist meine Überraschung?“
„Ja.“
„Aber ...“
„Paula, willst du nur Fragen stellen oder willst du es auch sehen?“
Paula sprang wie von der Tarantel gestochen auf. „Ich bin gleich fertig.“
„Na wird auch Zeit“, scheuchte er sie ins Schlafzimmer.
So schnell wie möglich warf sie sich in Jeans und in einen dicken Pullover. Kaum eine Minute später stand sie im Flur. „Ich bin fertig!“
„Wie? Musst du nicht noch stundenlang im Bad verschwinden?“
„Nö.“ Sie schüttelte ihren Kopf. „Wo geht es hin?“ fragte sie, während sie sich die Schuhe anzog und die dicke Jacke vom Haken nahm.
„Wird nicht verraten. Fertig?“
Er öffnete die Tür und hob einen geflochtenen Korb auf, den er dort zuvor in der Ecke abgestellt hatte. Eine dicke Decke drückte er Paula in die Hand. „Ab jetzt keine Fragen mehr.“
Es wurde dämmrig, als sie auf die Straße traten. Die Sonne verabschiedete sich allmählich und in den Häusern gingen die Lichter an. Sie liefen durch die Wohngegend und sahen Familien gemeinsam am Tisch sitzen. In einigen Wohnungen liefen die Fernseher. Der Tag war sonnig und warm gewesen. Die aufziehende Nacht brachte kühle Luft mit sich, in der der Hauch der blühenden Pflanzen des Tages mitschwang.
Paula ließ sich gut gelaunt an der Hand von Steffen mitziehen. Es gefiel ihr, wie er versuchte, sie zu überraschen. Die Decke und der Korb gaben allerdings reichlich Aufschluss darüber, was er vorhatte.
Sie verließen die kleinen Straßen und kamen in den Park, der dunkel vor ihnen lag. Nur vereinzelt trafen sie auf Hundebesitzer, die ihren Hund ein letztes Mal an diesem Tag Gassi führten.
Paula wusste ungefähr wo sie war, war sie doch schon einige Male mit dem Fahrrad hier entlang geradelt. Sie wunderte sich auch nicht, als er den Weg zur höchsten Stelle des Parks einschlug. Als sie den mit hohen Bäumen eingegrenzten Weg verließen, wurde es heller und vor ihnen erstreckte sich eine große Grünfläche, die sanft nach unten abfiel. In einiger Entfernung erblickte sie die Kirchtürme von Braunschweig, die sich über der Silhouette der Stadt abzeichneten. Bei Dunkelheit würden diese von unzähligen Lichtquellen angestrahlt werden und ein bezauberndes Bild abgeben.
Um sie herum raschelte es im Gebüsch. Die in den Bäumen sitzenden Drosseln und Meisen sangen ihr Abendlied und verabschiedeten den Tag mit ihrer Melodie. Vereinzelt tummelten sich Gruppen von Jugendlichen auf den weitläufigen Wiesen des Nußbergs. Einige hatten ihre Grills angeworfen und der Geruch von glühender Kohle und Bratwürstchen hing verlockend in der Luft. Es roch nach den Vorboten des Sommers.
„Wohin gehen wir denn?“, fragte Paula scheinheilig.
„Wir sind gleich da.“
Steffen steuerte auf die Aussichtsplattform des Nußbergs zu, dessen höchste Stelle
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