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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
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Gefährt gab unserem kleinen Tross die Reisegeschwindigkeit vor. Gerne hätte ich geglaubt, die Reiter waren zum Schutz der Menschen da. Vielmehr galt ihre volle Aufmerksamkeit den Waren, die sie für die Farm mitbrachten und vor, wie mir schien, Überfällen schützen mussten. Alle trugen Waffen, jeder hatte wenigstens ein Messer bei sich oder ein Gewehr griffbereit am Sattel hängen.
    Ich sah am Anfang der Reise das ein oder andere Mal ungläubig auf den voll beladenen Wagen. Herr Langenfeld bemerkte meinen Blick. „So sieht es aus Junge, wenn die Frau eine lange Einkaufsliste schreibt.“ Er grinste über seinen Witz. „Aber die nächsten Monate ist dann erst mal Ruhe. Wir kommen selten in die Stadt. Die Rinder verkaufe ich nicht nur hier, viele werden auch von der Farm abgeholt. Das erspart mir einen Ritt von zwei Wochen hin und zwei zurück. Verstehst du?“
    Ich verstand. Ich verstand nur allzu gut. Wir zogen gerade ins Nirgendwo. Zwei Wochen, um in die Stadt zu kommen? Zwei Wochen, um zu einer Post oder zur Schifffahrtsgesellschaft zu kommen? Es erschien mir wie eine Weltreise. Am liebsten wäre ich sofort umgekehrt und hätte lieber als Obdachloser auf der Straße gelebt, nur um die Hoffnung in mir zu tragen, Magarete wenigstens Briefe schreiben zu können. Mit hängenden Schultern lief ich blind den anderen hinterher, mein Leben schien mir zu Ende.
     
    Wir brauchten in der Tat zwei Wochen, ehe wir auf der Farm ankamen. Ich kann nicht sagen, wie ich mir eine Rinderfarm vorgestellt habe. Vielleicht so, wie ich sie aus amerikanischen Filmen kannte.
    Und diese Farm lag tatsächlich im Nirgendwo. Wirklich! Sie befand sich in einem großen Tal, umrandet von weitläufigen Gebirgsketten, die in der Ferne nur matt und verschwommen zu erkennen waren. Soweit ich blickte, waren Zäune aufgestellt, hinter denen verstreut Rinder standen, grasten und uns wiederkäuend beobachteten.
    „ Das sind nicht alle Tiere, die wir haben. Wir haben Weiden, die noch weiter entfernt liegen. Die Viecher fressen viel und dafür brauchen wir einen Menge Weideland“, erklärte mir Herr Langenfeld. Im nächsten Atemzug fuhr er fort. „Ach übrigens, hier draußen sind wir nicht so förmlich. Ich bin Karl.“ Das fiel ihm spontan ein, nachdem wir schon zwei Wochen gemeinsam unterwegs waren!
    Das Haus der Farm kam in Sichtweite: ein zweistöckiges, großes Gebäude mit mehreren Nebengebäuden. Die Ankunft unseres Trecks wurde bereits erwartet. Vor dem Haus stand eine hochgewachsene, kräftig gebaute Frau, die zum Gruß die Hand hob. Etwas erstaunt ließ sie diese sinken und forschte im Gesicht ihres Mannes nach einer Erklärung, warum drei Personen mehr dabei waren, als einen Monat zuvor weggeritten waren.
    „ Das ist die Familie Mendelssohn aus Deutschland. Judith, Franz und Friedrich.“ Karl machte eine Kopfbewegung in unsere Richtung. „Ihr Schiff ist an der Küste untergegangen und sie sind sozusagen in der Stadt gestrandet, ohne viel retten zu können.“ Karl räusperte sich. Er wusste, es hörte sich nach einer Rechtfertigung an, die er Niemandem schuldete, aber normalerweise sprach er solche Entscheidungen mit seiner Frau ab. „Judith kann dich in der Küche und im Garten unterstützen, die Männer helfen mir. Was meinst du, Irmgard?“ Er sah seine Frau erwartungsvoll an, obwohl er wusste, dass er sie damit überrumpelte.
    Ich war mir in diesem Moment unsicher, ob sie nicht sagen würde, wir sollten uns zum Teufel scheren. Da kannte ich Irmgard noch nicht, denn sie hatte wie ihr Mann Karl, das Herz am rechten Fleck. Dennoch ließ sie uns einen Moment zappeln und legte sich nachdenklich den Zeigefinger an die Oberlippe.
    „ Also, Hilfe könnte ich wirklich gebrauchen“, konstatierte sie endlich. Sie warf meiner Mutter einen fragenden Blick zu.
    „ Ich kann Kochen. Ich habe es bei meiner Mutter gelernt. Ich muss mich nur an etwas größere Mengen gewöhnen, aber kein Problem.“
    „ Gut. Denn mir hängt das ewige Gejammer über meine nicht ganz ausgereifte Kochkunst zu den Ohren heraus.“ Irmgard zwinkerte gutgelaunt. „Und jetzt kommt erst mal herein. Vom Mittag sind Reste über, die ich euch warm mache. Und ich will keinen Mucks hören, dass es nicht schmeckt“, drohte sie mit erhobenem Finger.
    Karl lachte leise und folgte ihr hinein. Wir betraten neugierig unser neues Zuhause, von dem wir nicht wussten, wie lange es uns Unterschlupf bieten würde.
     
    Im Nachhinein kann ich nur sagen, dass die freundliche Aufnahme

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