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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
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der Familie Langenfeld ein Segen für uns gewesen ist. Irmgard und Karl gaben meinen Eltern und mir sogar ein eigenes Zimmer. Wir bekamen regelmäßig warme Mahlzeiten und es gab ein wenig Geld für unsere Arbeit. Das war mehr, als wir erhofft hatten. Und wir fanden im Exil eine neue Heimat, in der wir uns wohlfühlten.
    Allerdings fielen wir auf der Farm in die Steinzeit zurück: es gab kein fließend Wasser, keinen Strom und die Toilette war natürlich draußen über den Hof.
    Aber all diese Unannehmlichkeiten nahmen wir ohne Murren nur zu gerne in Kauf, denn die Warmherzigkeit der Langenfelds war unvergleichlich. Meine Mutter freundete sich rasch mit Irmgard an, die wiederum froh war, weibliche Gesellschaft gefunden zu haben. Häufig traf man beide an einem Ort an und dort wo sie sich aufhielten, wurde viel gelacht und es herrschte Frohsinn. Und ganz nebenbei gab es schmackhaftes Essen auf der Farm, das meine Mutter zubereitete. Ich hätte nie gedacht zu sehen, wie sie mit Hingabe in großen Töpfen rührte oder wie ein Weltmeister Fleisch in der Pfanne briet.
    Neben der Arbeit in der Küche und im Garten, unterrichtete sie die Kinder von Irmgard und Karl. Der Junge war gerade mal sieben Jahre alt und stand am Anfang seiner Ausbildung. Das Mädchen war bedeutend älter, sie war bereits fünfzehn und das Lesen und Schreiben fiel ihr gar nicht leicht. Sie konnte stattdessen besser Reiten und Rinder treiben, als manch einer der Viehhüter. Sie lachte viel, wie ihre Mutter und schüttelte ihre Zöpfe auf eine lustige Art, dass ich dabei lachen musste. Sie war es auch, die mir das Reiten beibrachte. Die ersten Male bin ich hart vom Pferd abgestiegen und habe mir Kinn und Hände aufgeschlagen. Sie zwang mich gleich wieder aufs Pferd zu steigen. Unerbittlich trieb sie mich an. Im Laufe der Zeit lernte ich oben zu bleiben und nicht nur das Pferd zu lenken, sondern auch die Rinder in die Richtung zu treiben, in der ich sie haben wollte.
    Vom zweiten Tag an, waren wir wie selbstverständlich in der Arbeit auf dem Hof eingespannt. Es gab keinen einzigen freien Tag, denn wer mit Tieren zu tun hat, ist rund um die Uhr, sieben Tage die Woche beschäftigt. Ich fiel abends hundemüde ins Bett und wurde nach einer viel zu kurzen Nacht geweckt.
    Ein Tag begann dem anderen zu gleichen. Ich verlor das Gefühl für die Zeit. Waren wir Wochen oder schon mehrere Monate hier? Ich wusste es nicht mehr. Ich wusste nur, mein Schmerz blieb. Der Schmerz so weit weg von Magarete zu sein, ihr keine Nachricht zukommen zu lassen. Der pochende Schmerz in meiner Brust, wenn ich an sie dachte, der nicht verging, wie die Zeit.
    Eines Tages fragte ich Irmgard nach einer Post in der Nähe. Sie lachte hell auf. „Post? Gibt es hier nicht. Unsere nächsten Nachbarn sind über fünfzig Kilometer entfernt. Die nächste Post, die ich kenne, befindet sich in der Stadt, aus der ihr vor drei Monaten zu uns gekommen seid.“
    Ich seufzte vernehmlich. Neben mir stand Rosalie, die Tochter von Irmgard. „Was ist denn? Warum musst du unbedingt zur Post?“ Ihre ehrliche, offene Art gefiel mir. Vielleicht lag es auch nur daran, weil wir auf der Farm die einzigen im selben Alter waren. Ich war gerade mal zwei Jahre älter als sie. Ich ging nach draußen und deutete ihr mir zu folgen. Auf der großen, überdachten Veranda nahmen wir Platz. Ich hatte das Bedürfnis von Magarete zu erzählen und jemandem an meinen Gefühlen und Gedanken teilhaben zu lassen.
    So erzählte ich die Geschichte von Magarete und mir. Rosalie saß mir gegenüber und lauschte aufmerksam. Sie schwieg, während ich redete, nickte ab und an verständig mit dem Kopf oder gab mir zustimmende Kommentare durch ein kehliges Gurren. Als ich geendet hatte, fand sie tröstliche Worte für mich. „Das ist sehr traurig Friedrich. Ich kann nachempfinden, wie du dich fühlen musst.“
    Ich nickte betrübt. „Und in ein paar Tagen ist Weihnachten. Vor einem Jahr habe ich ihr das silberne Herz geschenkt. Meinst du, sie sieht es sich ab und zu an?“
    „ Das glaube ich ganz bestimmt.“ Sie drückte mir aufmunternd die Hand. Eine Geste, die mich zutiefst berührte. „Im nächsten September geht es wieder in die Stadt, da kannst du ihr einen Brief schreiben. Am besten fängst du jetzt sofort an, dann werden es ganz viele, die sie bekommen wird.“
    „ Tolle Idee“, rief ich laut und sprang auf, um in mein Zimmer zu rennen. Vorher drückte ich ihr dankbar einen Kuss auf die Wange. Ich sah aus den

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