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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
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Geländer ließ sie auf keinen Fall los. Die vier Schnäpse breiteten sich mit rasender Geschwindigkeit in ihrem Körper aus und ließen ihr die Beine schwach werden.
    „Nee, heute ist mein freier Tag. Ich wäre sonst zu Harald in die Kneipe gegangen. Mir fällt die Decke auf den Kopf.“
    Paula horchte auf. „Was ist denn mit Mike? Hat er keine Zeit für dich?“ Paula hob schwerfällig den Kopf und sah Akay forschend an.
    Akay presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen und schüttelte sich zuckend. „Vorbei.“
    „Was?“, schrie Paula aus Versehen zu laut. Unten wurde eine Wohnungstür geöffnet. Frau Lindner steckte vermutlich den Kopf heraus, um dem Gespräch zu lauschen, schoss es Paula durch den Kopf. Ertappt schlug sie sich mit der Hand vor den Mund.
    „Lass uns zu mir reingehen, ja?“, entgegnete Akay schnell.
    „Ja, gerne, aber du musst mich stützen.“
    Akay lachte und ihr verdrießlicher Gesichtsausdruck verschwand auf der Stelle. „Du bist mir ja eine, an einem heiligen Sonntag betrunken!“ Sie griff Paula unter den Arm, bugsierte sie in ihre Wohnung und ließ sie in das große einladende Sofa im Wohnzimmer gleiten. Paula blieb ermattet und regungslos in dieser Position liegen.
    „Ich bin nicht betrunken, höchstens angetrunken“, belehrte sie Akay mit erhobenem Finger.
    „Ja ja, und mein Opa ist der Papst.“ Akay ging gutgelaunt in die Küche. „Ich mache Börek und Pide warm, ja? Und erst mal ein Wasser dazu, ehe wir auf Wein umsteigen?“
    Paula grunzte zustimmend aus dem Wohnzimmer. Sie lauschte dem Geklapper von Tellern und Gläsern und vernahm das surrende Geräusch der Mikrowelle. Mit einem „Pling“ tat diese kund, dass das Essen fertig sei. Dann wurde das Gerät erneut angeworfen und das Geräusch drang beruhigend zur ihr ins Wohnzimmer.
    Entspannt schloss sie die Augen. Vor den Lidern tanzten helle Punkte und ihre Gedanken wanderten zum Gespräch aus dem Garten zurück. Sie hatte das Bild von Friedrich vor Augen, wie er dort saß und ihr die unfassbaren Dinge erzählte, die er die letzten Jahrzehnte erlebt hatte. Und nicht zu vergessen Magarete, die ebenfalls ein bewegtes Leben vorzuweisen hatte. Magarete war draußen im Garten sehr ruhig gewesen, fiel ihr wieder ein. Vielleicht fühlte es sich seltsam für sie an, der Lebensgeschichte von Friedrich zu lauschen, in der sie nur einen Bruchteil dabei gewesen war. Aber immerhin der bedeutendste Teil gewesen ist. Wie hätte ihr Leben ausgesehen, wenn sie nicht vor dem Krieg getrennt worden wären? Diese Frage würde sie sich fortwährend stellen, dabei war es eigentlich unsinnig darüber nachzudenken. Das Schicksal hatte andere Pläne mit ihnen gehabt.
    Und ich? Paula kam nicht umhin sich einige Fragen zu stellen. Wenn ich jemandem mein Leben erzählen würde, was gäbe es von mir zu berichten? Sie überlegte einen Moment. Der Moment zog sich in die Länge. Erschrocken stellte sie fest, dass es nicht viel gab. War das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Was stand schon groß auf meiner Liste? Eine mehrjährige Beziehung, die ziemlich unschön in die Brüche gegangen war und meine Lebensplanung wie eine Seifenblase zerplatzen ließ. Und jetzt? Ich stehe am Anfang einer neuen Beziehung, aber wo wird mich diese hinführen? Ist das der richtige Weg für mich? Werden sich meine Wünsche erfüllen? Unbewusst schüttelte sie den Kopf, weil sie sich die Fragen nicht beantworten konnte.
    „Manchmal mache ich mir echt Sorgen!“ Akay stand mit einem Tablett in der Tür und beobachtete sie. Es klang nicht wirklich besorgt, eher ironisch.
    „Wegen meines Alkoholkonsums?“
    Akay nickte heiter und stellte das Tablett auf dem niedrigen Wohnzimmertisch ab. Von bunten Tellern duftete es verlockend nach den türkischen Spezialitäten, die mit Spinat, Schafskäse und Hackfleisch gefüllt oder belegt waren.
    „Hmm, das riecht lecker. Ich wusste gar nicht, dass du eine begnadete Köchin bist.“ Paula nahm sich eines der dampfenden Teigstücke und biss herzhaft hinein.
    Ihre Bemerkung verursachte bei Akay einen kleinen Lachanfall. „Das habe ich doch nicht selber gemacht. Der Sohn von meinem Onkel hat eine Bäckerei, ein paar Ecken von hier. Warum sollte ich mich in die Küche stellen, wenn die das viel besser hinbekommen, als ich es je könnte.“ Akay sagte es ohne einen Funken eines schlechten Gewissens. Danach griff sie sich ein Stück Pide und biss ab.
    Bewundernd blickte Paula sie an. „Ich finde es toll, wie selbstbewusst du

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